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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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dem Altar des Vaterlandes ihre erste Beiwacht.
    Jeder Kanonenschuß war bis in das Herz der Tuilerien gedrungen.
    Die königliche Familie trennte sich erst nach Mitternacht, nachdem man erfahren hatte, daß die Kanonen schweigen würden.
    Madame Campan schlief mit der Königin in einem Zimmer. Marie Antoinette hatte erst nach folgendem Anlasse ihre Einwilligung dazu gegeben. Sie hatte sich einst um ein Uhr nachts zur Ruhe begeben. Madame Campan stand vor dem Bett und sprach mit der Königin. Da hörte man plötzlich Fußtritte im Korridor, dann ein Geräusch, wie wenn zwei Männer handgemein würden.
    Madame Campan wollte nachsehen, was vorging, aber die Königin wollte ihre Kammerfrau nicht fortlassen.
    »Verlassen Sie mich nicht, Campan«, sagte sie.
    Während dieser Zeit rief eine Stimme im Korridor: »Fürchten Sie nichts, Madame; ein Bösewicht wollte sich zu Ihnen schleichen und Sie umbringen, aber ich halte ihn fest.«
    Es war die Stimme des Kammerdieners.
    »Mein Gott!« sagte die Königin, die Hände zum Himmel erhebend, »welch ein Leben! ... Schmähungen am Tage, Mordanschläge in der Nacht!«
    »Lassen Sie den Mann los,« rief sie dem Kammerdiener zu, »öffnen Sie ihm die Tür.«
    Darauf ließ man den Meuchler los, der zur Dienerschaft des Königs gehörte.
    In der Nacht nach dem pomphaften Umzuge erwachte Madame Campan gegen zwei Uhr morgens; der Mond schien auf das Bett der Königin und Madame Campan hörte die Königin seufzen.
    »Sind Eure Majestät leidend?« fragte sie halblaut.
    »Ich bin immer leidend,« antwortete Marie Antoinette, »aber ich hoffe, daß meine Leiden bald ein Ende nehmen werden.«
    Dann streckte sie ihre bleiche Hand, die im Mondlichte noch bleicher aussah, aus dem Bett und sagte mit tiefer Wehmut: »In einem Monat, wenn der Mond wieder scheint, weiden wir frei und aller Fesseln ledig sein.«
    Madame Campan war ganz erfreut über diese Worte. »Haben Sie den Beistand des Herrn von Lafayette angenommen?« fragte sie. »Wollen Ew. Majestät fliehen?«
    »Den Beistand des Herrn von Lafayette?« sagte die Königin mit unverkennbarem Widerwillen.
    »Nein, Gott sei Dank! ... Aber in einem Monat wird mein Neffe Franz in Paris sein. Österreich und Preußen sind verbündet; die beiden vereinten Mächte rücken gegen Paris an.«
    »Und an welchem Tage hoffen die verbündeten Souveräne in Paris zu sein?« fragte Madame Campan.
    »Am 15. bis 20. August«, antwortete die Königin.
    »Gott erhöre Sie!« sagte die Kammerfrau.
    Gott erhörte diesen Wunsch jedoch nicht; er schickte vielmehr dem bedrängten Frankreich eine unerwartete Hilfe: die Marseillaise. Sie kam von Straßburg, wo sie der zweiundzwanzigjährige Rouget de Lisle auf einer patriotischen Feier in einer halben Stunde gedichtet und in Musik gesetzt hatte. In wenigen Tagen war sie in ganz Frankreich bekannt.
     

44. Kapitel
     
    Als die Wogen immer höher schlugen, blieb man auch in den Tuilerien nicht untätig. In der Nacht vom 5. zum 6. August ließ man in aller Stille die Schweizer Bataillone von Courbevoie kommen.
    Am 8. abends meldete man der Königin den Doktor Gilbert.
    »Kommen Sie, Doktor!« rief ihm die Königin zu; »es freut mich, Sie zu sehen.«
    Gilbert sah Marie Antoinette an: in ihrem ganzen Wesen war etwas Frohlockendes, das ihn unter den gegenwärtigen Verhältnissen mit Schrecken erfüllte. »Madame,« sagte Gilbert, »ich sehe, daß ich zu spät oder zur Unzeit komme.«
    »Im Gegenteil, Doktor, Sie kommen zur rechten Zeit und sind mir willkommen. Sie werden jetzt etwas sehen, was ich Ihnen schon längst gern gezeigt hätte: einen König, einen wirklichen König.«
    »Ich fürchte,« erwiderte Gilbert, »daß Ew. Majestät mir keinen König, sondern einen Platzkommandanten zeigen werden.«
    »Herr Gilbert, nach meiner Ansicht ist ein König nicht nur ein Mann, der sagt: »Ich will nicht«, sondern ein Mann, der sagt: »Ich will!««
    »Ja, Madame,« antwortete Gilbert, »und für Ew. Majestät ist ein König zumal ein Mann, der sich rächt.«
    »Der sich verteidigt, Herr Gilbert! Denn Sie wissen ja, daß wir ganz offen bedroht werden; ein gewisser Barbaroux soll fünfhundert Marseiller hierhergeführt haben, und, wie man sagt, hat die ganze Rotte auf den Trümmern der Bastille geschworen, nicht wieder nach Marseille zu gehen, bis sie auf den Trümmern der Tuilerien kampiert haben wird.«
    »Das habe ich auch gehört, Ew. Majestät«, erwiderte Gilbert. »Ich finde diese Nachrichten sehr bedrohlich und ich

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