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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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fürchte für den König und für Eure Majestät.«
    »Sie wollen uns also vorschlagen, der Krone zu entsagen und uns dem Herrn Barbaroux und seinen Marseillern auf Gnade und Ungnade zu ergeben?«
    »Ach, Madame, wenn der König seiner Krone entsagen und durch dieses Opfer sein Leben, das Ihrige und das Leben Ihrer Kinder schützen könnte ...«
    »So würden Sie ihm diesen Rat geben, nicht wahr, Herr Gilbert?«
    »Ja, Madame, und ich würde ihn fußfällig bitten, diesen Rat zu befolgen.«
    »Herr Gilbert, Sie sind nicht fest in Ihren Meinungen.«
    »Meine Meinung ist immer dieselbe«, entgegnete Gilbert. »Und welchen Rat geben Sie uns jetzt?«
    »Ich rate Ew. Majestät zu fliehen. Ew. Majestät wissen wohl, daß es möglich ist, daß Ihnen noch nie eine so günstige Gelegenheit geboten wurde?«
    »Weiter ...«
    »In den Tuilerien befinden sich gegen dreitausend Mann.«
    »Gegen fünftausend,« sagte die Königin mit einem Lächeln der Befriedigung, »und auf den ersten Wink kann die Zahl verdoppelt werden. Ich fliehe nicht mehr.«
    »Und Eure Majestät wollen diesen Entschluß unter keiner Bedingung aufgeben?«
    »Nein«, sagte die Königin und reichte Gilbert die Hand zum Kuß.
    »Madame,« sagte Gilbert, »wollen mir Eure Majestät erlauben, einige Zeilen zu schreiben, die ich für so dringend halte, daß ich deren Absendung keine Minute verschieben will?«
    »Schreiben Sie, Herr Gilbert«, sagte die Königin.
    Gilbert setzte sich und schrieb:
    »Kommen Sie, Herr Graf, die Königin ist in Lebensgefahr, wenn sie sich noch durch einen Freund zur Flucht bewegen läßt; ich glaube, daß Sie der einzige Freund sind, der sie dazu bewegen könnte.«
    Er unterzeichnete das Billett und schrieb die Adresse darauf.
    »Darf ich wissen, Herr Gilbert, an wen Sie schreiben?« fragte die Königin.
    »An den Grafen von Charny«, antwortete er.
    »An den Grafen von Charny!« wiederholte Marie Antoinette erblassend und zitternd; »warum schreiben Sie an ihn?«
    »Ich fordere ihn auf, die von mir vergebens ausgesprochene Warnung zu wiederholen.«
    Die Tür tat sich auf und ein Türsteher erschien. »Der Herr Graf von Charny, der eben ankommt,« sagte der Türsteher, »wünscht Ew. Majestät seine Huldigungen darzubringen.«
    Marie Antoinette wurde noch blasser, sie vermochte nur einige unverständliche Worte zu stammeln.
    »Lassen Sie ihn hereinkommen,« sagte Gilbert, »der Himmel schickt ihn.«
    Charny erschien in der Tür. Er trug seine Seeoffiziersuniform.
    »O kommen Sie, Herr Graf!« rief ihm Gilbert zu. »Soeben schrieb ich an Sie.«
    Er übergab ihm den Brief.
    »Ich erfuhr die Gefahr, in der sich Ihre Majestät befand, und bin herbeigeeilt«, sagte Charny sich verneigend.
    »Um des Himmels willen,« sagte Gilbert, »geben Eure Majestät den Worten des Grafen Gehör ... durch seinen Mund wird ganz Frankreich sprechen.«
    Er verneigte sich ehrerbietig vor der Königin und dem Grafen und entfernte sich eilends. Auch den dringenden Vorstellungen Charnys gegenüber blieb die Königin ihrem Entschluß, die Tuilerien nicht zu verlassen, treu.
    Charny, der einsah, daß alles Drängen vergebens war, stellte sich auf alle Fälle zur Verfügung, und der König machte ihn zum Gouverneur des Schlosses. Man sah einen Kampf voraus. – In der Nacht vom 9. zum 10. August begab sich Ludwig XVI. in seine Gemächer und schloß sich mit seinem Beichtvater ein. – Die Königin begab sich zu Madame Elisabeth und zu der Prinzessin von Lamballe.
    »Was macht Seine Majestät!« fragte die letztere.
    »Er beichtet, antwortete Marie Antoinette mit einem unmöglich wiederzugebenden Ausdruck.
    In diesem Augenblick ging die Tür auf und der Graf von Charny erschien. – Er war blaß, aber vollkommen ruhig.
    »Ist Seine Majestät zu sprechen?« fragte er, sich vor der Königin verneigend. »Für den Augenblick«, antwortete Marie Antoinette, »bin ich der König!«
    Charny wußte es besser als irgend jemand, aber er ließ nicht ab.
    »Sie können hinaufgehen, Herr Graf,« sagte die Königin; »aber ich versichere Sie, daß sich der König jetzt nicht gern stören läßt.«
    »Ich glaube es wohl,« erwiderte Charny; »Seine Majestät spricht mit Herrn Pétion, der eben gekommen ist.«
    »Nein, Herr Graf, der König ist mit seinem Beichtvater allein.«
    »Dann werde ich als Gouverneur des Schlosses an Eure Majestät meinen Bericht abstatten.«
    »Gut, Herr Graf, reden Sie.«
    »Vor allem«, begann Charny, »muß ich Eurer Majestät den Effektivbestand

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