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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Scharen, »da sind die Verräter, die es mit den Preußen halten! Da sind die Schurken, die dem Feinde unsere Städte übergeben, die eure Weiber und Kinder morden, wenn ihr sie zurücklaßt, während ihr an die Grenze marschiert!«
    Doch alles blieb vorläufig fruchtlos.
    Der Zug bewegte sich langsam über die Pont-Neuf, die Rue Dauphin, und man hatte weder die Geduld der Gefangenen ermüdet noch das Volk zum meuchlerischen Angriff aufgestachelt. Man war der Abbaye schon ziemlich nahe, die kurze Zeit, die noch übrig war, mußte benutzt werden, wenn der Höllenplan nicht scheitern sollte.
    Der Zufall kam den heimtückischen Anschlägen zu Hilfe. Eben langte der Zug an einem Schaugerüst an, wo Freiwillige angeworben wurden. Es war ein starkes Gedränge. Die Wagen mußten anhalten.
    Ein Mann stürzte mit gezogenem Säbel herbei, stieg auf den Tritt des ersten Wagens und stieß seinen Säbel aufs Geratewohl in den Wagen. Die Klinge war rot von Blut, als er sie wieder hervorzog.
    Einer der Gefangenen trug einen Stock, mit dem er die Stöße abzuwehren suchte. Er traf einen Mann von der Eskorte.
    »Oh, ihr Schurken!« rief dieser mit erheuchelter Entrüstung; »wir beschützen euch, und ihr schlagt uns! ... Her, Kameraden!«
    Ein paar Spießgesellen, die auf diesen Ruf längst gewartet hatten, stürzten aus der Menge heraus und stießen mit ihren Piken blindlings in das Wageninnere. Man hörte das Geschrei der Insassen und sah bald das Blut der Getroffenen durch den Kutschenboden auf das Straßenpflaster fließen.
    Das Blutvergießen hatte begonnen und war nun nicht mehr aufzuhalten. Dem erbitterten Pöbel ging es wie einem Tiere, das durch Blutgeruch rasend wird und selbst nach Blut lechzt. Die Greuel der vier Septembertage nahmen unaufhaltsam ihren Fortgang.
    Gegen vier Uhr vernahm man innerhalb der düsteren Gefängnismauern das Toben der sich heranwälzenden Menge. Bald darauf hörte man den Ruf: »Die Schweizer! Die Schweizer!«
    In der Abbaye waren etwa hundertfünfzig Schweizer untergebracht. Man hatte sie am 10. August mit größter Mühe in Sicherheit gebracht. Der Gemeinderat wußte, wie sehr das Volk die roten Uniformen haßte. Das Volk war daher nicht besser in Wut zu bringen, als wenn man die Schweizer vorschob und mit ihnen den Anfang machen ließ. Man brauchte etwa zwei Stunden, um diese hundertfünfzig Unglücklichen niederzumachen.
    Dann sollten die Priester an die Reihe kommen; sie waren bereit zu sterben, verlangten aber zu beichten.
    Das Volk bewilligte ihnen eine zweistündige Frist.
    Wozu wurden diese zwei Stunden benutzt? Zur Bildung eines Tribunals. – Wer bildete es, wer führte den Vorsitz? Maillard.
    Maillard wollte die Aristokraten über die Klinge springen lassen, aber dies sollte mit Beobachtung gewisser Formen geschehen. Das Volk sollte das Urteil sprechen, denn das Volk betrachtete er als den einzigen untrüglichen Richter.
    Bevor Maillard sein Tribunal einsetzte, waren bereits zweihundert Personen niedergemetzelt worden.
    Das Tribunal hielt seine erste Sitzung in der Abbaue ab. Um einen großen Tisch saßen zwölf Männer, die an ihren roten Mützen und an ihrer nachlässigen Kleidung leicht als Leute aus dem Volke zu erkennen waren. Auf dem Tische lagen Säbel, Degen und Pistolen.
    Diese Männer waren die Richter, die über Leben und Tod der in den Kerkern befindlichen Gefangenen entschieden. Ihre Urteile, gegen die keine Berufung stattfand, wurden auf der Stelle vollstreckt; denn die mit Säbeln, langen Messern und Piken bewaffneten Henker warteten in dem von Blut triefenden Hofe.
    Maillard führte den Vorsitz. Er war plötzlich in der Abbaye erschienen, hatte sich das Gefangenbuch bringen lassen, hatte aus dem Volkshaufen aufs Geratewohl zwölf Richter genommen und sich mit ihnen an den Tisch gesetzt.
    Maillard las den Namen vor, die Schließer holten den Gefangenen; der Vorsitzende las aus dem Register die mit seiner Verhaftung verknüpften Umstände vor; der Gefangene erschien; Maillard sah seine Kollegen fragend an; lautete das Urteil auf Tod, so sagte er ganz kurz: »Nach La Force.« Die äußere Tür tat sich auf, und der Verurteilte fiel unter den Streichen der Mordknechte.
    Wurde der Gefangene freigesprochen, so stand der kolossale schwarze Mann auf, legte ihm die Hand auf den Kopf und sagte: »Man lasse ihn frei!«
    In dem Augenblick, als Maillard vor der Abbaye angekommen war, hatte ihn ein Mann angeredet. Maillard hatte ihn sogleich erkannt und sich ehrerbietig vor ihm

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