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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Elisabeth und die beiden Kinder, denen der König durch die Mauern ihres Kerkers den letzten Scheideblick zugeworfen hatte.
    Abends vorher, nach der herzzerreißenden Zusammenkunft, hatte die Königin kaum die Kraft gehabt, den Dauphin auszukleiden und zu Bett zu bringen. Sie hatte sich in ihren Kleidern auf ihr Bett geworfen. Um ein Viertel sieben ging die Tür auf, ein Meßbuch wurde geholt.
    Die ganze Familie rüstete sich nun, denn nach dem Versprechen, das ihr der König abends vorher gegeben, glaubte sie, man werde sie zu ihm führen; aber die Zeit verstrich, die Königin und die Prinzessinnen hörten die verschiedensten Geräusche, das Öffnen und Schließen der Türen, das Geschrei des Pöbels beim Erscheinen des Königs drang an ihr Ohr, endlich der Lärm der sich entfernenden Pferde und Geschütze.
    Die Königin sank auf einen Stuhl und sagte«:
    »Er ist fort, ohne uns Lebewohl zu sagen.«
    Madame Elisabeth und die kleine Prinzessin sanken auf die Knie.
    So waren denn alle Hoffnungen nacheinander geschwunden! Anfangs hatte man Verbannung und Gefängnis gehofft, und diese Hoffnung war geschwunden; endlich hoffte man nichts mehr, als einen verzweifelten Handstreich auf dem Wege, und diese Hoffnung sollte ebenfalls schwinden.
    »O mein Gott! mein Gott!« rief die Königin, und dieser letzte Ruf der Verzweiflung war alles, was sie zu sagen vermochte.
    Unterdessen fuhr der Wagen weiter und erreichte den Boulevard.
    Die Straßen waren ziemlich verödet, die Kaufläden zur Hälfte geschlossen; in den Haustüren, an den Fenstern war niemand. Denn eine Verordnung des Gemeinderats verbot jedem Bürger, der nicht zu der bewaffneten Miliz gehörte, die auf den Boulevard ausmündenden Straßen zu betreten oder sich beim Vorbeikommen des Zuges an den Fenstern zu zeigen.
    Der Himmel war trüb und neblig; man sah nur einen Wald von Piken, unter denen nur hier und da einige Bajonette funkelten. Vor dem Wagen ritt die Kavallerie und vor dieser ging eine Menge Trommler.
    Der König hätte gern mit seinem Beichtvater gesprochen, aber er konnte es nicht wegen des großen Lärms.
    Der Abbé Edgeworth reichte ihm sein Brevier, und Ludwig XVI. las.
    An der Porte Saint-Denis schaute er auf; er glaubte unter der Menge eine Bewegung zu bemerken.
    Etwa zehn junge Leute stürzten aus der Straße Beauregard hervor, schwenkten ihre Säbel und durchbrachen die Volksmenge mit dem Ruf:
    »Hierher, wer den König retten will!«
    Dreitausend Verschworene sollten auf dieses von dem Baron von Batz, einem Abenteurer, gegebene Zeichen herbeieilen.
    Er gab kühn das Zeichen, aber von den dreitausend Verschworenen antwortete nur ein Dutzend.
    Als der Baron von Batz und seine wenigen Genossen sahen, daß nichts zu machen war, benutzten sie die durch ihren Befreiungsversuch verursachte Verwirrung und verloren sich in dem Straßenlabyrinth.
    Diese Bewegung war es, die den König in seiner Andacht störte; aber sie hatte so wenig zu bedeuten, daß der Wagen nicht einmal anhielt. Als er nach zwei Stunden und zehn Minuten anhielt, war er am Ziele.
    Sobald der König merkte, daß die Bewegung des Wagens aufhörte, neigte er sich zu dem Ohr des Priesters und sagte:
    »Wir sind zur Stelle, wenn ich nicht irre.«
    Nur das Stillschweigen des Abbé Edgeworth antwortete ihm.
    In demselben Augenblick kam einer der drei Brüder Samson, der Pariser Nachrichter, an den Wagen und wollte den Schlag öffnen. Aber der König hielt ihn zurück, legte die Hand auf das Knie des Abbé Edgeworth und sagte mit würdevollem, gebieterischem Tone:
    »Meine Herren, ich empfehle Ihnen diesen würdigen Mann hier. Tragen Sie Sorge, daß ihm nach meinem Tode kein Leid geschehe; ich beauftrage Sie, darüber zu wachen.«
    Unterdessen waren die beiden andern Nachrichter an den Wagen gekommen.
    »Ja, ja,« antwortete einer von ihnen, »wir werden schon dafür sorgen, lassen Sie uns nur machen.«
    Ludwig stieg aus.
    Die Henkersknechte kamen auf ihn zu und wollten ihm seinen Frack ausziehen; aber er wies sie mit stolzer Gebärde zurück und begann, sich allein zu entkleiden.
    Einige Augenblicke blieb der König allein in dem Kreise, der sich um ihn gebildet hatte; er warf den Hut auf die Erde, zog den Rock aus und knüpfte das Halstuch auf.
    Nun aber traten die Nachrichter auf ihn zu. Einer von ihnen hatte einen Strick in der Hand.
    »Was wollen Sie?« fragte der König.
    »Ihnen die Hände binden«, antwortete der Mann, der, den Strick trug.
    »Das leide ich nicht«, sagte der König,

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