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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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mein Nächster,« erwiderte Billot, sich ereifernd, »er ist mein Feind ... Ich erinnere mich an eine Stelle der Bibel, aus der mir meine arme Frau vorzulesen pflegte: Samuel sagte zu den Israeliten, die einen König verlangten ...«
    »Ich weiß wohl, Billot; aber Samuel rettete Saul, er nahm ihm nicht das Leben.«
    »Oh! ich weiß wohl, daß ich verloren bin, wenn ich mich mit Ihnen in die Gelehrsamkeit vertiefe. Ich frage Sie daher ganz einfach: hatten wir das Recht, die Bastille zu nehmen?«
    »Ja.«
    »Hatten wir das Recht, die uns verweigerte freie Beratung zu fordern?«
    »Ja.«
    »Hatten wir das Recht, den König von Versailles nach Paris zu führen, als er die konstituierende Versammlung durch das Fest der Leibgarde und Zusammenziehung von Truppen einschüchtern wollte?«
    »Ja.«
    »Hatten wir das Recht, den König in Varennes anzuhalten, als er fliehen und zum Feinde übergehen wollte?«
    »Ja.«
    »Hatten wir das Recht, uns am 20. Juni zu erheben, als der König, nachdem er die Verfassung von 1791 beschworen, mit dem Auslande unterhandelte?«
    »Ja.«
    »Hatten wir das Recht, am 10. August die Tuilerien zu nehmen und den Thron für erledigt zu erklären, als er die Sanktion der verfassungsmäßig gegebenen Gesetze verweigerte? Hatten wir das Recht, ihn vor den Nationalkonvent zu stellen, als er trotz seiner Gefangenschaft im Temple nicht aufhörte, gegen die Freiheit der Nation zu konspirieren?«
    »Ja, das leugne ich nicht.«
    »Dann hatte der Konvent auch das Recht, ihn zu verurteilen! ...«
    »Ja, zur Verbannung, zur Landesverweisung, zu lebenslänglicher Haft ... zu allem, nur nicht zum Tode.«
    »Warum nicht zum Tode?«
    »Weil er nicht in sträflicher Absicht gehandelt hatte. Sie beurteilen seine Handlungsweise vom Gesichtspunkte des Volkes, lieber Billot; er hat die Verhältnisse vom Gesichtspunkte des Königtums beurteilt und demgemäß gehandelt. Er war kein Tyrann, kein Bedrücker des Volkes, kein Mitschuldiger der Aristokraten, kein Feind der Freiheit.«
    »Sie beurteilen ihn also vom Gesichtspunkte des Königtums?«
    »Nein, denn vom Gesichtspunkte des Königtums würde ich ihn freisprechen.«
    »Aber Sie haben ja für das Leben gestimmt ...«
    »Allerdings, aber mit Verbannung oder lebenslänglicher Haft ... Glauben Sie mir, Billot, ich habe ihn noch parteiischer beurteilt, als ich eigentlich wollte; ich bin ein Sohn des Volkes, und die Wage, die ich in der Hand hielt, neigte sich dem Volke zu. Sie haben ihn nur aus der Ferne gesehen, Sie haben ihn nicht kennengelernt wie ich. Die Königliche Gewalt, die ihm nach der Verfassung zukam, befriedigte ihn nicht, er schwankte zwischen der Nationalversammlung, die ihn noch zu mächtig fand, und einer ehrgeizigen Königin, zwischen dem gedemütigten, erbitterten Adel und dem unversöhnlichen Klerus ... Nein, Billot, je mehr Kämpfe, desto mehr Siege. Sie sagen, der König sei Ihr Feind gewesen; der Feind war besiegt, und einen Feind mit kaltem Blute morden, heißt keineswegs ihn verurteilen; es ist eine Sache, die den ehrwürdigen Namen der Justiz keineswegs verdient, und zugleich eine Unklugheit, denn das Königtum, das ihr zu vernichten wähnt, wird durch diesen Akt der Rache mit der Glorie des Märtyrertums umgeben ... Nehmt euch in acht! Ihr habt zu viel, und doch nicht genug getan! Karl I. wurde hingerichtet, und Karl II. wurde König; Jakob II. wurde verbannt, und seine Söhne sind im Exil gestorben. Die menschliche Natur ist voll Mitgefühl, und wir haben uns den bei weitem größten Teil der Menschen, der die Revolutionen mit dem Herzen beurteilt, für fünfzig, vielleicht für hundert Jahre entfremdet. Glauben Sie mir, Freund, gerade die Republikaner haben am meisten Ursache, den Tod Ludwigs XVI. zu beklagen, denn sein Blut wird über sie kommen und die Republik ertränken.
    »Es liegt etwas Wahres in deinen Worten, Gilbert«, antwortete eine Stimme in der Tür.
    Die beiden Männer stutzten und sahen sich um.
    »Cagliostro!« riefen sie zugleich.
    »Mein Gott! ja,« antwortete der Eintretende; »aber es ist auch an Billots Worten etwas Wahres.«
    »Das ist eben das Unglück«, erwiderte Gilbert; »die Sache, die wir vertreten, hat zwei Seiten, und jeder, der sie von seiner Seite betrachtet, kann sagen: ich habe recht. Sagen Sie uns Ihre Meinung, Meister.«
    »Ihr habt soeben euer Urteil über die fragliche Angelegenheit abgegeben«, sagte Cagliostro; »ich will über euer Urteil ein Urteil fällen. Habt ihr den König verurteilt, so hattet

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