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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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wahr?«
    »Ja, ja! beruhigen Sie sich.«
    »Morgen früh um acht Uhr, nicht wahr?«
    »Ich verspreche es Ihnen.«
    »Warum nicht um sieben Uhr?« fragte die Königin.
    »Nun ja, um sieben Uhr,« erwiderte der König; »aber jetzt ... adieu, adieu!«
    Diese letzten Worte sprach er, mit so ausdrucksvoller Stimme, daß man ihm Folge leisten mußte, denn seine Kräfte waren erschöpft.
    Ebenso ging es der jungen Prinzessin; sie sank mit einem matten Klageton zu Boden.
    Sie war ohnmächtig. Madame Elisabeth und Clery hoben sie auf.
    Der König sah die Notwendigkeit ein, seine Gefühle zu bekämpfen und stark zu sein. Er entwand sich den Armen der Königin und des Dauphin, und ging, noch ein Lebewohl zurückrufend, in sein Zimmer.
    Dann verschloß er die Tür hinter sich.
    Clery wollte die noch immer ohnmächtige junge Prinzessin in die Wohnung der Königin tragen; aber an der Treppe hielten ihn die Kommissare zurück und zwangen ihn, umzukehren.
    Der König hatte den Abbé Edgeworth in dem Kabinett des Ecktürmchens wieder gefunden, und ließ sich zu seiner Zerstreuung von ihm erzählen, wie er in den Temple gekommen war.
    Ob er dieser Erzählung mit vollem Bewußtsein zuhörte, oder ob die Worte von seinen eigenen Gedanken übertönt wurden und nur verworren in seine Ohren drangen, wer kann es wissen?
    Als die Erzählung beendet war, sagte der König:
    »Jetzt wollen wir alles vergessen und nur an mein Seelenheil denken.«
    »Sire,« antwortete der Abbé, »ich bin bereit, alles zu tun, was in meinen Kräften steht, und ich hoffe, daß Gott mich dabei unterstützen wird ... Aber glauben Sie nicht, daß es ein großer Trost für Sie sein würde, die Messe zu hören und zu kommunizieren!«
    »Jawohl,« sagte der König, »glauben Sie, daß ich eine solche Vergünstigung zu schätzen wissen würde ... Aber wie wollen Sie es möglich machen? Bedenken Sie, welcher Gefahr Sie sich aussetzen ...«
    »Das ist meine Sorge, Sire, und ich will Eurer Majestät beweisen, daß ich der Ehre würdig bin, die Sie mir erweisen. Geben Sie mir unbedingte Vollmacht, und ich stehe für alles.«
    »Gehen Sie«, erwiderte Ludwig XVI. »Gehen Sie,« wiederholte er kopfschüttelnd, »aber es wird vergebens sein.«
    Der Abbé Edgeworth verneigte sich und ging fort, um sich in die Kanzlei führen zu lassen.
    »Der Mann, der morgen sterben wird,« sagte der Abbé, »wünscht vor seinem Todesgange die Messe zu hören und zu beichten.«
    Man beriet sich.
    Die Bitte wurde unter zwei Bedingungen gewährt: Erstens sollte der Abbé ein Gesuch schreiben und unterzeichnen, und zweitens sollte die Zeremonie am andern Morgen spätestens um sieben Uhr beendet sein, da die Hinrichtung des Gefangenen um acht Uhr stattfinden sollte.
    Der Abbé schrieb das Gesuch und ließ es in der Kanzlei. Dann wurde er zu dem Gefangenen zurückgeführt, dem er die Gewährung seiner Bitte anzeigte.
    Es war zehn Uhr, der Abbé Edgeworth blieb bis Mitternacht mit Ludwig XVI. allein.
    Um Mitternacht sagte der König zu ihm:
    »Herr Abbé, ich bin müde, ich möchte schlafen; ich brauche Kraft für morgen.«
    Dann rief er zweimal: »Clery! ... Clery!«
    Clery erschien, entkleidete den König und wollte ihm die Haare aufwickeln; aber Ludwig XVI. sagte lächelnd:
    »Lassen Sie nur, es ist nicht der Mühe wert.«
    Dann legte er sich zu Bett, und als Clery die Vorhänge zuzog, sagte der König zu ihm:
    »Wecken Sie mich um fünf Uhr.«
    Kaum ruhte sein Haupt auf dem Kissen, so schlief er ein, so unwiderstehlich waren bei ihm die körperlichen Bedürfnisse.
    Der Abbé Edgeworth legte sich auf das Bett des Kammerdieners.
    Clery, der nur wenig schlief und oft durch schauerliche Träume aufgeschreckt wurde, versäumte die bestimmte Stunde nicht. Schlag fünf Uhr stand er auf und machte Licht.
    »Ich habe gut geschlafen,« sagte der König; »es war mir ein Bedürfnis, denn der gestrige Tag hat mich schrecklich ermüdet ... Wo ist der Herr Abbé?«
    »Auf meinem Bett, Sire.«
    »Auf Ihrem Bett! wo haben Sie denn die Nacht zugebracht?«
    »Auf diesem Sessel.«
    »Es tut mir leid, Sie müssen eine schlechte Nacht gehabt haben.«
    »Oh, Sire,« erwiderte Clery, »wie hätte ich in einem solchen Augenblicke an mich denken können?«
    »Armer Clery!« sagte der König und reichte ihm die Hand, die der treue Diener weinend küßte.
    Clery begann nun den König zum letzten Male anzukleiden. Er hatte einen braunen Frack, Beinkleider von grauem Tuch, graue seidene Strümpfe und eine Pikeeweste

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