Die Graefin Charny
zurechtgelegt.
Als der König angekleidet war, frisierte ihn der Kammerdiener. Unterdessen machte Ludwig XVI. ein Petschaft von seiner Uhr los, steckte es in seine Westentasche, legte seine Uhr auf den Kamin, zog einen Ring vom Finger und steckte ihn in dieselbe Tasche, wo das Petschaft war.
Während ihm Clery den Frack anzog, nahm der König, der tags vorher denselben Frack getragen hatte, Brieftasche, Lorgnette und Tabaksdose heraus und legte alles nebst seiner Börse auf den Kamin. Alle diese Vorbereitungen geschahen in Gegenwart der Kommissare, die in das Zimmer des Königs gekommen waren, sobald sie Licht gesehen hatten.
Es schlug halb sechs.
»Clery,« sagte der König, »wecken Sie den Herrn Abbé Edgeworth.«
Der Abbé war schon aufgestanden, er hatte den Kammerdiener erwartet und trat ein.
Der König nickte ihm zu und ersuchte ihn, in sein Zimmer zu kommen. Unterdessen richtete der Kammerdiener den Altar her.
Zu diesem Zwecke wurde auf die im Zimmer befindliche Kommode ein Tischtuch gelegt.
Als der Altar fertig war, ging Clery in das Zimmer des Königs, um den König davon in Kenntnis zu setzen.
»Können Sie bei der Messe ministrieren?« fragte ihn Ludwig XVI.
»Ich hoffe es,« antwortete Clery, »ich weiß nur das Staffelgebet nicht auswendig.«
Der König reichte ihm ein Meßbuch.
Der Abbé Edgemorth war schon in Clerys Zimmer, wo er sich ankleidete. Sobald er im Ornat erschien, zogen sich die Beamten in das Vorzimmer zurück; sie mochten wahrscheinlich mit einem Geistlichen nicht in Berührung kommen.
Es war sechs Uhr, die Messe begann. Der König hörte sie kniend und mit der tiefsten Andacht an.
Nach der Messe kommunizierte der König, und der Abbé Edgeworth begab sich in das Nebenzimmer, um das Priestergewand abzulegen.
Der König benutzte diesen Augenblick, um seinem treuen Diener zu danken und ihm Lebewohl zu sagen; dann begab er sich wieder in sein Zimmer.
Der Abbé kam ebenfalls dahin. Clery setzte sich auf sein Bett und weinte.
Um sieben Uhr kam der König aus seinem Zimmer und rief seinen Kammerdiener.
Clery eilte herbei.
Der König trat mit ihm ans Fenster und sagte zu ihm:
»Übergeben Sie dieses Petschaft meinem Sohn und diesen Ring meiner Gemahlin; sagen Sie ihnen, daß ich sie mit schwerem Herzen verlasse. Dieses kleine Paket enthält Haare von unserer ganzen Familie, übergeben Sie es ihnen ebenfalls.«
»Aber werden Sie denn Ihre Familie nicht mehr sehen, Sire?« fragte Clery.
Der König war einen Augenblick unschlüssig, dann erwiderte er:
»Nein, nein ... Ich hatte allerdings versprochen, sie heute morgen zu sehen; aber ich will den Meinigen den herben Trennungsschmerz ersparen. Clery, wenn Sie sie wiedersehen, sagen Sie ihnen, wie schwer es mir geworden, ohne einen Scheidekuß fortzugehen ...«
Bei diesen Worten konnte er seine Tränen nicht zurückhalten.
Dann setzte er mit dem Ausdruck tiefen Schmerzes hinzu:
»Nicht wahr, Clery, Sie werden den Meinen das letzte Lebewohl von mir bringen?«
Er ging wieder in sein Zimmer.
Die Kommissare hatten gesehen, daß der König die erwähnten Gegenstände Clery übergab. Einer von ihnen verlangte die Herausgabe, aber ein anderer machte den Antrag, sie dem Kammerdiener bis zur Entscheidung des Gemeinderates zu lassen. Dieser Antrag wurde angenommen.
Eine Viertelstunde nachher kam der König wieder aus seinem Zimmer.
»Clery,« sagte er, »fragen Sie, ob ich eine Schere haben kann.«
»Kann der König eine Schere haben?« fragte Clery die Kommissare.
»Was will er damit machen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Fragen Sie ihn.«
Einer der Kommissare ging in das Zimmer; er fand den König vor dem Abbé Edgeworth kniend.
»Sie haben eine Schere verlangt,« sagte er, »was wollen Sie damit machen?«
»Mein Kammerdiener soll mir die Haare abschneiden«, antwortete der König.
Der Kommissar begab sich in die Kanzlei hinunter. Man beriet sich eine halbe Stunde, und endlich schlug man es ab.
Der Kommissar ging wieder hinauf.
»Die Direktion hat es abgeschlagen«, sagte er.
»Ich würde die Schere nicht berührt haben,« sagte der König, »und Clery würde mir in Ihrer Gegenwart die Haare abgeschnitten haben. Gehen Sie noch einmal hinunter, ich bitte Sie.«
Der Kommissar ging wieder hinunter und trug das Ansuchen des Königs noch einmal vor, aber die Direktion beharrte bei ihrer Weigerung. Ein Kommissar trat nun auf Clery zu und sagte zu ihm:
»Ich glaube, es ist Zeit, daß du dich anschickst, den König auf seinem
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