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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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abwandte und sein Herz einer andern schenkte ... Sie haben nicht gehört, daß der Mann Ihres Herzens, von Ihrem Bruder tödlich verwundet, in seinem Fieberwahn beständig jene andere rief, deren Vertraute Sie waren ... Sie haben nicht gesehen, wie sich diese andere in die Korridore schlich, in denen Sie selbst herumirrten, um diese Fieberphantasien zu hören, welche deutlich bewiesen, daß seine unsinnige Leidenschaft erst mit seinem Leben enden sollte ... Sie haben es nicht mit angesehen, wie dieser Mann Ihrer Nebenbuhlerin zu Füßen sank ... ja, Ihrer Nebenbuhlerin, denn in der Liebe verschwindet jeder Unterschied des Ranges ... Sie waren es nicht, die bei Ihrer Freundschaft, bei der gefährdeten königlichen Würde beschworen wurde, die Frau des Mannes zu werden, den Sie seit drei Jahren vergötterten ... wohlverstanden, ich sollte eine Frau ohne Gatte werden, ich sollte der Vorhang sein, den man zwischen die Augen der Menge und fremdes Glück ziehen wollte ... Sie haben dieses schwere Opfer nicht gebracht ... Sie haben Ihren Gemahl nicht verlassen, um ihn nur ... als Geliebten Ihrer Nebenbuhlerin wiederzusehen! ... Oh, ich schwöre es Ihnen, diese letzten drei Jahre waren schrecklich! Ich habe nichts versprochen,« sagte sie, »und wieviel habe ich gehalten ... Eure Majestät hatten mir zweierlei versprochen ...«
    »Andrea! Andrea!« sagte die Königin.
    »Sie hatten mir versprochen, den Grafen von Charny nicht wiederzusehen. Dieses Versprechen war um so heiliger, da ich es nicht verlangt hatte ...«
    »Andrea ...«
    »Dann hatten Sie mir versprochen, mich als Schwester zu behandeln.«
    »Andrea ...«
    »Sie gaben dieses Versprechen in einem Augenblick, in dem ich Ihnen mein Leben, meine Liebe, mein zeitliches und ewiges Glück geopfert hatte ... In jenem Augenblick übergaben Sie mir ein Billett, es lautete: ›Andrea, Sie haben mich gerettet; ich verdanke Ihnen meine Ehre, mein Leben gehört Ihnen. Bei dieser Ehre schwöre ich Ihnen, daß Sie mich Schwester nennen können ...‹«
    »Verzeihe mir, Andrea, verzeihe mir; ich glaubte, er liebe dich ...«
    »Sie glaubten also, Madame, er müsse eine andere lieben, weil er gleichgültig gegen Sie wurde?«
    Andrea hatte so viel gelitten, daß sie schonungslos wurde.
    »Sie haben also bemerkt, daß er gleichgültiger gegen mich wurde?« sagte Marie Antoinette mit tiefem Schmerz.
    Andrea antwortete nicht.
    »Mein Gott! Was soll ich tun, um mir seine Liebe zu erhalten? Oh, wenn du es weißt, Andrea, meine Freundin, meine Schwester, so sage mir's, ich bitte, ich beschwöre dich!«
    Die Königin streckte beide Hände nach ihr aus.
    Andrea wich einen Schritt zurück.
    »Wie kann ich das wissen?« sagte sie, »er hat mich ja nie geliebt!«
    »Ja, aber er kann dich lieben ...«
    »Und wenn sich dieses Unglück ereignete, so vergessen Sie nicht, daß ich ihm dann die Mitteilung machen müßte, die ich Ihnen gemacht habe!«
    »Sie würden ihm sagen, daß Gilbert Ihnen Gewalt angetan? Sie würden ihm sagen, daß Sie einen Sohn haben? Sie würden nichts tun, um sich die Zuneigung des Grafen zu erwerben?«
    »Nein, Madame, ebensowenig in Zukunft, wie ich es früher getan habe.«
    »Und wenn er erklärt, daß er Sie liebt, wenn Sie ihm Ihre Gegenliebe gestehen, wollen Sie dann ...«
    »O Madame!« sagte Andrea, die Königin unterbrechend.
    »Ja, ja,« fuhr Marie Antoinette fort, »Sie haben recht, Andrea, meine Freundin, meine Schwester, ich bin ungerecht, rücksichtslos ... Aber wenn ich auch alles verliere, meine Macht, meinen Ruf, meine Freunde ... diese Liebe kann ich nicht verlieren; ihr würde ich Macht, Ruf und Freunde opfern!«
    »Haben Ew. Majestät noch etwas zu befehlen?« sagte Andrea mit der eisigen Kälte, die sie nur in dem Augenblicke verlassen hatte, als sie von ihren Leiden gesprochen.
    »Nein, ich danke Ihnen ... ich wollte Ihnen meine Freundschaft zurückgeben, und Sie schlagen sie aus ... Leben Sie wohl, leben Sie wohl, nehmen Sie wenigstens meinen Dank mit.«
    Andrea machte eine kalte, tiefe Verbeugung und entfernte sich langsam und schweigend wie eine Erscheinung.
     

8. Kapitel
     
    Am nächsten Morgen erhob sich die Königin erst gegen neun Uhr, ihr Gesicht zeigte Spuren von Tränen, ihre Wangen waren bleich.
    Plötzlich hörte die Königin draußen Lärm. Etwas Ungewöhnliches schien vorzugehen.
    Man hörte deutlich die Stimme Webers, die Stillschweigen gebot.
    Die Königin rief nach ihrem treuen Kammerdiener.
    In demselben Augenblicke ward es

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