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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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diesem Augenblick hörte man lautes Schluchzen. Gilbert eilte die Treppe hinauf. Als er in den ersten Stock kam, trat ihm auf einmal eine weibliche Gestalt in flatterndem weißem Gewande entgegen und sank ihm zu Füßen. »Oh, Gilbert! Gilbert!« sagte sie, seine beiden Hände fassend, »um des Himmels willen, retten Sie ihn!«
    »Nicole!« rief Gilbert erstaunt, »Nicole! ... Sie waren es also? ...«
    »Retten Sie ihn! retten Sie ihn!« wiederholte Nicole.
    Gilbert bebte plötzlich, vor einem entsetzlichen Gedanken zurück, der sich ihm aufdrängte.
    »Jetzt wird mir alles klar«, sagte er für sich. »Beausire verkauft Schmähschriften gegen ihn ... Nicole ist seine Geliebte ... Er ist verloren, denn Cagliostro hat seine Hand dabei im Spiele!«
    Mirabeau war wieder zur Besinnung gekommen. Gilbert ging hastig auf ihn zu.
    »Ah!« sagte er, »es ist noch nicht so schlimm, wie ich fürchtete.«
    Mirabeau lächelte.
    Gilbert untersuchte den Puls, die Zunge; der Puls ging heftig, die Zunge war belegt. Plötzlich fingen die Schmerzen, die der Kranke zwei Tage zuvor schon gehabt hatte, wieder an; der Puls schlug heftig und setzte von Zeit zu Zeit aus.
    Gilbert verordnete dieselben ableitenden Mittel, welche schon früher eine schnelle Linderung bewirkt hatten. Leider aber hatte der Kranke entweder nicht die Kraft, die Zugpflaster zu ertragen, oder er wollte nicht genesen; denn nach einer Viertelstunde verlangte er, daß die Zugpflaster abgenommen würden. Darauf verschlimmerte sich der Zustand.
    Das Gerücht, welches sich schnell in der ganzen Stadt verbreitete, stellte den Zustand des großen Redners als sehr bedenklich dar; er habe einen Rückfall bekommen, hieß es, und sein Leben sei in Gefahr. Ganz Paris war so bestürzt, als ob ein allgemeines Unglück die ganze Bevölkerung bedrohte. Den ganzen Tag war die Straße, wie schon abends vorher, von Leuten aus dem Volke abgesperrt, um jedes Geräusch von dem Hause des Kranken fernzuhalten. Von Stunde zu Stunde erkundigten sich die unter den Fenstern harrenden Gruppen nach seinem Befinden. Es wurden schriftliche Krankheitsberichte ausgegeben, welche augenblicklich durch die ganze Stadt verbreitet wurden. Die Tür war von Personen jeden Standes, jeder politischen Farbe belagert; die Freunde und Verwandten des großen Redners hatten sich im Hofe und im Vorsaal des Erdgeschosses versammelt, ohne daß er selbst eine Ahnung von diesem Gedränge hatte. Übrigens wurden zwischen Mirabeau und dem Doktor Gilbert nur wenige Worte gewechselt.
    Vierundzwanzig Stunden ging Doktor Gilbert keinen Augenblick von Mirabeaus Krankenlager. Am Mittwoch abends gegen elf Uhr war das Befinden des Grafen leidlich, und Gilbert begab sich auf sein Zureden in ein Nebenzimmer, um einige Stunden zu ruhen.
    Bei Tagesanbruch erwachte er; der Kranke mußte schrecklich gelitten haben; die Schmerzen waren heftiger geworden, der Kranke schien oft dem Ersticken nahe.
    Von Zeit zu Zeit hatte der Kranke den Namen der Königin ausgesprochen.
    »Die Undankbaren!« hatte er gesagt; »sie haben sich nicht einmal nach mir erkundigen lassen!«
    Gilbert dachte, daß alles von der nahe bevorstehenden Krise abhänge; er ließ daher, um die Krankheit nachdrücklich zu bekämpfen, Blutegel auf die Brust setzen; aber die Blutegel wollten nicht saugen. Man ersetzte sie durch einen zweiten Aderlaß am Fuße und durch Moschuspillen.
    Nach acht Stunden endlich ließ das Fieber nach und der Tod schien zu weichen. Die Besserung war aber nur vorübergehend. Gilbert stand vor dem Bette und sah dem entsetzlichen Kampfe zu, der jetzt eintrat. Mirabeau war verloren! Er war nicht mehr zu erkennen.
    Von diesem Augenblick an nahm das Gesicht Mirabeaus jenen feierlichen Ausdruck an, der im Todeskampfe großer Männer immer bemerkt worden ist. Seine Stimme wurde langsam, ernst, sie nahm gewissermaßen einen prophetischen Ausdruck an; seine Sprache wurde gemessener, sein Gedankenkreis erweiterte sich, und in seinen Gefühlen zeigte sich mehr Hingebung, mehr Innigkeit, mehr Tiefe.
    Mirabeau ließ nun jedermann vor, der ihn zu sehen wünschte. Von Zeit zu Zeit fragte er, wer sich nach ihm erkundigte. Er fragte zwar nicht, ob ein Bote der Königin dagewesen sei, aber aus dem Seufzer, den der Sterbende ausstieß, als die Liste zu Ende war, schloß Gilbert, daß gerade der gewünschte Name fehlte.
    Dann sprach er mit wunderbarer Klarheit über die allgemeine Politik. Den König und die Königin erwähnte er gar nicht.
    Von Zeit zu Zeit hörte

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