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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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... Als die Abreise der alten Damen einen so ungeheuren Lärm verursachte, kamen einige treue Freunde in die Tuilerien und boten mir ihren Beistand, ihr Leben an. Es mochten etwa hundert Edelleute sein. Sogleich verbreitete sich das Gerücht, es sei eine Verschwörung im Anzuge und man beabsichtige, mich zu entführen. Lafayette, den man unter dem Vorwande, die Bastille werde wieder besetzt, in die Vorstadt Saint-Antoine geschickt hatte, kommt voll Zorn zurück, dringt mit gezogenem Degen und gefälltem Bajonett in die Tuilerien und entwaffnet unsere armen Freunde.«
    »Oh, Sire, wir leben in einer schrecklichen Zeit!« sagte Charny, der traurig den Kopf schüttelte. »Warten Sie nur ... Wir gehen alljährlich, nach Saint-Cloud; das ist eine Sache, die sich von selbst versteht. Vorgestern bestellen wir die Kutschen; wir gehen hinunter und finden fünfzehnhundert Personen um die Kutschen versammelt! Wir wollen einsteigen, aber das Volk fällt den Pferden in die Zügel und ruft, ich hätte die Absicht, zu fliehen, aber man werde es nicht zugeben ... Nach einer Stunde fruchtloser Versuche mußten mir umkehren. – Die Königin weinte vor Zorn!«
    »War denn der General Lafayette nicht da, um Eurer Majestät beizustehen?«
    »Lafayette? ... er eilte zum Stadthause, um das Vaterland in Gefahr zu erklären und die rote Fahne zu verlangen ... Das Vaterland in Gefahr, weil der König und die Königin nach Saint-Cloud fahren wollen!«
    »Wenn die Dinge so stehen, Sire, so haben wir um so mehr Ursache, uns zu beeilen.«
    »Ja, das wollen wir ... Lassen Sie hören, was haben Sie drüben mit Bouillé verabredet?«
    Der König nahm eine Karte und breitete sie auf dem Tische aus. Diese Karte war nicht gestochen, sondern gezeichnet und, wie Charny sagte, fehlte kein Haus, kein Baum; er hatte acht Monate daran gearbeitet.
    Charny und der König neigten sich auf diese Karte.
    »Sire,« sagte Charny, »die eigentliche Gefahr wird für Eure Majestät zu Sainte-Menehould beginnen und zu Stenay aufhören; auf dieser achtzehn Meilen langen Strecke müssen wir unsere Detachements verteilen.«
    »Aber könnte man sie nicht näher nach Paris, etwa bis Châlons anrücken lassen?«
    »Das ist kaum möglich, Sire«, erwiderte Charny. »Überdies haftete der Marquis von Bouillé nur für die Strecke jenseits Sainte-Menehould. Er könnte sein erstes Detachement höchstens bis Pont-de-Sommevelle vorschieben, und er hat mir noch ausdrücklich aufgetragen, diesen Punkt mit Eurer Majestät zu besprechen ... Sehen Sie, Sire, da liegt der Ort, es ist die erste Poststation jenseits Châlons.«
    »Der Marquis von Bouillé hat also die Etappen bereits bezeichnet und die Truppen bestimmt, die mich in einzelnen Abteilungen auf der Reise erwarten sollen?«
    »Ja, Sire, mit Vorbehalt der Zustimmung Eurer Majestät.«
    »Ich sehe wohl,« sagte der König erfreut, »es ist für alles gesorgt.«
    In diesem Augenblick tat sich die Tür auf: die Königin trat ein. Sie war sehr blaß und hielt ein Papier in der Hand; als sie den Grafen sah, konnte sie einen Ausruf der Überraschung nicht unterdrücken; das Papier fiel ihr aus der Hand.
    Charny erhob sich und verneigte sich ehrerbietig vor der Königin, die zwischen den Zähnen stammelte:
    »Herr von Charny ... Herr von Charny ... hier ... beim König ... in den Tuilerien! ... Und ich wußte es nicht!«
    »Ich bin soeben angekommen,« sagte er, »und wollte mich bei Seiner Majestät beurlauben, um auch meiner gnädigsten Königin meine Huldigungen darzubringen.«
    Die Wangen der Königin färbten sich wieder. Es war schon lange her, daß sie die Stimme Charnys nicht gehört hatte, und der Ton, den er seinen Worten zu geben wußte, hatte ja so oft zu ihrem Herzen gesprochen!
    Charny sah alles, was in dem Herzen der Königin vorging. Der König hatte sich gebückt, um das der Königin entfallene Papier aufzuheben. Er las die wenigen Worte, die auf dem Papier standen, ohne deren Sinn zu verstehen.
    »Was bedeuten die drei Worte: ›Fliehen! Fliehen! Fliehen!‹ und dieses Bruchstück einer Unterschrift?« fragte der König.
    »Sire,« antwortete Marie Antoinette, »diese drei Worte bedeuten, daß Herr von Mirabeau vor zehn Minuten verschieden ist, und dies ist der Rat, den er uns hinterlassen hat.«
    »Madame,« erwiderte der König, »der Rat soll befolgt werden, denn er ist gut, und der Augenblick ist gekommen, ihn in Ausführung zu bringen.«
    Dann setzte er, sich an Charny wendend, hinzu:
    »Graf, Sie können der

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