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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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haben recht, Sie müssen mich beizeiten erinnern, daß ich Königin bin. Reden Sie, Herr Botschafter, das Weib hat nichts mehr zu erwarten; die Königin erwartet Ihren Bericht.«
     

26. Kapitel
     
    Am 19. Juni gegen acht Uhr morgens ging Gilbert in seiner Wohnung auf und ab. Von Zeit zu Zeit trat er ans Fenster und neigte sich hinaus; er schien jemanden zu erwarten und hielt ein zusammengefaltetes Papier in der Hand.
    Endlich lockte ihn das Rollen eines vor der Tür anhaltenden Wagens ans Fenster; aber es war zu spät: die Person, die in dem Wagen gekommen war, war schon ins Haus gegangen.
    Gilbert rief ins Vorzimmer:
    »Bastian, öffne dem Herrn Grafen von Charny die Tür, ich erwarte ihn.«
    Er faltete das Papier noch einmal auseinander, und als er eben angefangen hatte zu lesen, meldete Bastian ... nicht den Grafen von Charny, sondern den Grafen Cagliostro.
    Gilbert faltete schnell das Papier zusammen und steckte es in die Seitentasche seines Fracks.
    »Der Graf von Cagliostro?«
    »Mein Gott! ja, lieber Gilbert«, sagte der Graf. »Ich weiß wohl, daß Sie nicht mich, sondern Herrn von Charny erwarteten ... aber Herr von Charny ist beschäftigt; er kann erst in einer halben Stunde hier sein. Ich hoffe, daß ich Ihnen willkommen bin, obwohl Sie mich nicht erwartet hatten.«
    »Mein teurer Meister,« erwiderte Gilbert, »Sie wissen, daß Ihnen hier zu jeder Zeit des Tages und der Nacht die Tür offen steht.«
    »Ich danke Ihnen, Gilbert; auch mir wird es einst vielleicht vergönnt sein, Ihnen zu beweisen, wie sehr ich Sie verehre. Wenn sich die Gelegenheit darbietet, wird der Beweis nicht auf sich warten lassen ... Jetzt lassen Sie uns ein Weilchen plaudern.«»Wovon denn?« fragte Gilbert lächelnd.
    »Wovon?« wiederholte Cagliostro; »natürlich von dem Gespräch, das jetzt in der Mode ist ... von der bevorstehenden Abreise des Königs.«
    Gilbert schauderte, aber das Lächeln verschwand keinen Augenblick von seinen Lippen; der kalte Schweiß trat ihm wohl auf die Stirn, aber er besaß so viel Willenskraft, daß er nicht erblaßte.
    »Sie ist also auf morgen festgesetzt?« fuhr Cagliostro fort, als er sah, daß Gilbert wartete.
    »Teuerster Meister,« erwiderte Gilbert, »Sie wissen, daß ich Sie immer ausreden lasse; selbst wenn Sie irren, bleibt für mich immer etwas zu lernen.«
    »Daß der König morgen fliehen will, ist Ihnen wohl bekannt, lieber Gilbert, denn Sie selbst sind ja ein Werkzeug dieser Flucht.«
    »Wenn dem so ist,« erwiderte Gilbert, »so erwarten Sie doch nicht, daß ich es Ihnen gestehe?«
    »Ihres Geständnisses bedarf es nicht; Sie wissen ja, daß mir nichts verborgen ist. Hören Sie, lieber Gilbert. Die Königin will auf der Reise ihre gewohnte Lebensweise nicht ändern, obschon der Graf von Charny versichert, daß die Reise nicht länger als fünfunddreißig Stunden dauern werde. Sie hat bei Desbrosses ein prächtiges Reiseetui bestellt; dieses Etui ist gestern abend in die Tuilerien gebracht worden. – Der große bequeme Reisewagen, für sechs Personen eingerichtet, ist bei dem Hofsattler Louis von dem Grafen Charny bestellt worden. Der Graf zahlt ihm in diesem Augenblicke hundertfünfundzwanzig Louisdor, nämlich die Hälfte der Kaufsumme, aus. Man hat den Wagen gestern mit vier Postpferden probiert; der Vicomte Isidor von Charny hat einen höchst günstigen Bericht darüber abgestattet. – Endlich hat Herr von Montmorin heute morgen einen Paß für die Baronin von Korff, ihre beiden Kinder, ihre beiden Kammerfrauen, ihren Intendanten und drei Diener unterzeichnet, ohne zu wissen, was er unterzeichnete. Die Baronin von Korff ist Frau von Tourzel, die Gouvernante der ›Kinder Frankreichs‹; die beiden Kinder sind Madame Royale und der Dauphin; ihre beiden Kammerfrauen sind die Königin und Madame Elisabeth; ihr Intendant ist der König; die drei Diener, die den Wagen zu Pferde begleiten sollen, sind der Vicomte Isidor von Charny, Herr von Malden und Herr von Valory. – Diesen Paß hatten Sie in der Hand; als ich zu Ihnen kam, steckten Sie ihn in die Tasche. Bin ich gut unterrichtet, lieber Gilbert?«
    »Ja ... bis auf einen kleinen Widerspruch zwischen Ihren Worten und dem Inhalt des Passes ...«
    »Was für ein Widerspruch?«
    »Sie sagen, die Königin und Madame Elisabeth stellen die beiden Kammerfrauen der Frau von Tourzel vor, und ich sehe in dem Reisedokument nur eine Kammerfrau.«
    »Die Sache verhält sich so: Frau von Tourzel wird in Bondy ersucht werden, auszusteigen,

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