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Die Grasharfe

Titel: Die Grasharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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sein Knopfoch.
       „Zum Teufel damit", hob der Sherif an und wurde wieder einmal von Mrs. Buster unterbrochen, welche erklärte, daß sie Fluchen unter keinen Umständen dulden würde: „Nicht wahr, Hochwürden?" Hochwürden unterstützte sie, indem er versicherte, er wolle verdammt sein, wenn er das dulde. „Ich bin hier im Amt", unterrichtete sie der Sherif und stemmte seinen Bullenkiefer vor, „es handelt sich um das Gesetz."
       „Um welches Gesetz, Junius?" fragte der Richter Cool ruhig. „Denk daran, daß ich siebenundzwanzig Jahre im Gerichtssaal zubrachte, länger, als du bisher gelebt hast. Sei vorsichtig! Wir haben keinen legalen Grund, Miß Dolly zu stören."
       Unerschrocken zog sich der Sherif am Baum empor. „Laßt's genug sein mit den Scherereien", sagte er schmeichelnd, und wir konnten den Bogen seines Hundegebisses sehen. „Runter mit euch da oben, ihr Pack!" Als wir wie drei Nestlinge hocken blieben, bleckte er noch mehr Zähne und rüttelte wütend an einem Ast, als wolle er uns herunterschütteln.
       „Miß Dolly, Sie sind immer ein friedliebender Mensch gewesen", mahnte Mrs. Macy Wheeler. „Bitte gehen Sie heim mit uns; Sie wollen doch nicht um Ihr Mittagessen kommen." Dolly antwortete nüchtern, daß wir keinen Hunger hätten. Ob sie wohl welchen hätten? „Hier ist ein Hühnerbein für jeden, der eines mag."
       Sherif Candle sagte: „Leicht machen Sie es mir nicht, Madame", und zog sich höher hinauf. Ein Ast, der unter seinem Gewicht krachte, schickte durch den Baum ein traurig grausames Ächzen.
       „Wenn er Hand an einen von euch legt, tretet ihn auf den Kopf", riet der Richter. „Oder ich tue es selbst", sagte er in plötzlicher galanter Kampflust; wie ein begeisterter Frosch hüpfe er empor und hielt sich an dem einen baumelnden Bein des Sherifs fest. Der Sherif schnappte seinerseits darauf nach meinen Fußgelenken, und Catherine hielt mich an meinem Gürtel fest. Wir kamen ins Rutschen, und es schien unvermeidlich, daß wir alle abstürzten, denn der Krafaufwand war beträchtlich. Indessen aber schüttete Dolly den Rest unserer Orangenlimonade in den Nacken des Sherifs, und er ließ mich mit einem zotigen Fluch unvermittelt los. Sie stürzten zur Erde, der Sherif auf den Richter, und unter ihnen krümmte sich der Reverend. Um das Mißgeschick voll zu machen, felen Mrs. Macy Wheeler und Mrs. Buster mit jämmerlichen Krähenschreien auf sie.
      Entsetzt über das Vorgefallene und über die Rolle, die sie dabei gespielt hatte, wurde Dolly so verwirrt, daß sie die leere Limonadenbüchse fallen ließ; sie traf hohl dröhnend den Kopf von Mrs. Buster. „Verzeihung", entschuldigte sich Dolly, was aber in dem Tumult niemand mehr hörte.
    Als der Knäuel unten sich entwirrte, trennten sich die Beteiligten in einiger Verlegenheit voneinander. Der Reverend sah ziemlich plattgewalzt aus, aber es wurden keine gebrochenen Glieder entdeckt; nur Mrs. Buster, auf deren spärlich behaartem Kopf eine pyramidenartige Beule wuchs, konnte sich gerechterweise über Unbill beklagen. Sie tat es vernehmlich und ohne Umstände.
      „Sie haben mich angegriffen, Dolly Talbo, leugnen Sie es nicht, jeder hier ist Zeuge, daß Sie mit der Büchse nach meinem Kopf gezielt haben. Junius, verhafen Sie sie!"
      Der Sherif seinerseits befaßte sich damit, Streitigkeiten auf seine eigene Art beizulegen. Die Hände wie ein Großtuer in die Hüfen gestemmt, beugte er sich zu dem Richter nieder, der sich bemühte, die Veilchen wieder in seinem Knopfoch unterzubringen. „Wenn Sie nicht so alt wären, verdammt, dann würde ich Sie niederschlagen."
    „So alt bin ich noch nicht, Junius – nur alt genug, um zu wissen, daß Männer sich nicht prügeln sollten, wenn Damen dabei sind", meinte der Richter. Er war ein angenehm wirkender Mann mit breiten Schultern und von aufrechter Statur; er schien, obwohl er in sein siebzigstes Jahr ging, nicht älter als fünfzig. Er ballte die Fäuste, sie waren hart und behaart wie Kokosnüsse. „Und außerdem", sagte er ergrimmt, „bin ich dabei, wenn du es auch bist."
      In diesem Augenblick sah alles nach einem ganz netten Boxkampf aus. Sogar der Sherif schien seiner selbst nicht mehr so sicher; mit abnehmender Angrifslust spuckte er in die Hände und raunzte, niemand solle ihm vorwerfen können, daß er einen alten Mann niedergeschlagen habe. „Oder sich an einen herangewagt", gab der Richter zurück. „Geh, Junius, steck dein Hemd in die

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