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Die Grasharfe

Titel: Die Grasharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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während wir friedlich damit beschäftigt waren, unser Baumhaus gemütlich zu machen. Aus Catherines Tasche holten wir eine rosa und goldene Flickendecke, ferner ein Spiel Karten, Seife, Toilettenpapierrollen, Orangen und Zitronen, Kerzen, eine Bratpfanne, eine Flasche Brombeerwein und zwei Schuhkartons, die mit Lebensmitteln gefüllt waren: Catherine rühmte sich, die Speisekammer so gründlich ausgeräumt zu haben, daß nicht einmal ein Biskuit für das Frühstück von „Jener" zurückgeblieben sei.
       Später gingen wir zum Bach hinunter und badeten Füße und Gesicht im kalten Wasser. In den Flußwäldern gibt es so viele Bäche wie Adern in einem Blatt; klar und plätschernd fnden sie ihren Weg in den kleinen Fluß, der sich wie ein grüner Alligator durch die Wälder windet. Dolly war ein besonderer Anblick, wie sie mit aufgeschürztem Winterkleid im Wasser stand, von ihrem wehenden Schleier belästigt wie von einem Mückenschwarm. Ich fragte: „Dolly, warum trägst du den Schleier?" und sie antwortete: „Es gehört sich so, daß Damen einen Schleier tragen, wenn sie auf Reisen sind."
       Als wir auf den Baum zurückgekehrt waren, öfneten wir eine köstliche Büchse Orangensaf und sprachen von der Zukunf. Unsere Aktiva waren: Siebenundvierzig Dollar Bargeld und einige Schmuckstücke, bemerkenswert darunter ein goldener Freundschafsring, den Catherine in den Eingeweiden eines Schweines gefunden hatte, als sie Würste stopfe. Nach Catherines Ansicht konnten wir uns von den siebenundvierzig Dollar Fahrkarten nach überallhin kaufen, sie kannte jemand, der den ganzen Weg nach Mexiko für fünfzehn Dollar gemacht hatte. Aber Dolly und ich waren gegen Mexiko; erstens konnten wir die Sprache nicht, und zweitens, meinte Dolly, dürften wir es nicht wagen, unseren Staat zu verlassen, und wo auch immer wir hingingen, müßte es in die Nähe eines Waldes sein. Denn wie sollten wir sonst die Tropfenkur-Arznei herstellen? „Grad herausgesagt, ich meine, wir sollten uns in den Flußwäldern niederlassen", sagte sie und sah sich gedankenvoll um.
      „In diesem alten Baum?" fragte Catherine. „Schlage dir bloß diesen Gedanken aus dem Kopf, Dollyherz." Und weiter: „Erinnere dich, was wir in der Zeitung gelesen haben, an den Mann, der drüben überm Ozean ein Schloß gekauf hat, und es ganz und gar, bis auf den letzten Stein, herüberbrachte. Erinnerst du dich noch? Sieh, so könnten wir doch auch mein kleines Haus auf einen Wagen aufaden und es hierherfahren lassen." Und als Dolly darauf erklärte, das Haus gehöre nicht uns, sondern Verena, und wir könnten es darum nicht wegtransportieren lassen, antwortete Catherine: „Das ist falsch, mein Herz! Wenn du einen Mann fütterst und seine Kleider wäschst und seine Kinder kriegst, dann bist du und der Mann verheiratet, der Mann gehört dir. Wenn du ein Haus fegst und die Feuer anmachst und den Ofen aufüllst, und du hast Liebe dazu, das alles zu tun die ganzen Jahre lang, dann bist du und das Haus verheiratet, das Haus gehört dir. So sehe ich's: die beiden Häuser da oben gehören uns; und vor den Augen Gottes könnten wir ‚Jene' glatt hinauswerfen."
       Ich hatte eine Idee: im Fluß weiter unten lag ein verlassenes Hausboot, grünlich von Algen und vermorscht durch das Wasser, halbversunken schon; es hatte einem alten Mann gehört, der vom Katzenfschfang lebte und der die Stadt verließ, nachdem er um eine Genehmigung eingekommen war, ein fünfzehnjähriges farbiges Mädchen heiraten zu dürfen. Meine Idee war die: warum sollten wir nicht das alte Hausboot herrichten und dort wohnen?
       Catherine gab zu verstehen, sie hofe, wenn möglich, den Rest ihres Lebens auf festem Grund und Boden zu verbringen: „Wie dies der Herrgott uns bestimmt hat", und sie hielte sich besser an seine Ratschlüsse, in denen beschlossen sei, daß die Bäume für die Vögel und Afen da wären. Plötzlich schwieg sie, stieß uns in die Rippen und wies verblüf hinunter, wo die Wälder sich auf das Grasfeld öfneten.
       Von dort stolzierte feierlich und steif eine vornehme Gesellschaf auf uns zu: Richter Cool, der Reverend und Mrs. Buster, Mrs. Macy Wheeler, angeführt von Sheriff Junius Candle, der hohe Schnürstiefel trug und dem ein Revolver um die Hüfe baumelte. Sonnenstäubchen umschwärmten sie wie gelbe Schmetterlinge, Brombeerdornen kratzten an ihren gestärkten Kleidern, und Mrs. Macy Wheeler sprang geängstigt zurück, als eine Weinranke gegen ihr Bein

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