Die Grauen Herrscher
Weltalls. Unsere Geschwindigkeit hängt natürlich von der Dichte der Materie im Weltall ab – im Durchschnitt kommt ein Atom Substanz auf je zehn Kubikzentimeter Weltall – und erreicht im Normalfall hundertundzwanzig Parsek in der Stunde – und bei voller Beschleunigung etwa hundertundneunzig Parsek. Unsere Ultrafunk-Strahler, die über den Subäther arbeiten, sind natürlich ebenfalls wesentlich schneller als normale Geräte, deren Impulse sich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen. Das Verhältnis zwischen den Größenordnungen ist etwa gleich – ungefähr neunzehn Milliarden zu eins. Ein Parsek entspricht also etwa einem Stundenkilometer.«
»Neunzehn Milliarden!« rief das Mädchen. »Und Sie haben eben noch gesagt, daß die Zahl ›eine Million‹ unser Begriffsvermögen bereits übersteigt!«
»Genau«, sagte er. »Sie dürfen nicht versuchen, das alles zu
verstehen
oder sich räumlich vorzustellen. Sie müssen nur daran denken, daß die großen Raumschiffe und Ultrafunkgeräte Parsek-Entfernungen mit der gleichen Leichtigkeit überwinden, mit der Autos Kilometer hinter sich bringen. Wenn Ihnen also jemand mit Parsek imponieren will, stellen Sie sich einfach die Geschwindigkeit Ihres Autos vor – und schon sind Sie im Bilde.«
»So gut hat mir das noch niemand erklärt. Es klingt plötzlich alles so einfach. Würden Sie mir bitte diese Karte abzeichnen?«
»Noch etwas«, sagte er. Die Musik hatte aufgehört. Kinnison signierte die Tanzkarte und führte das Mädchen an ihren Platz zurück. »Ebenso wie Ihre Rundfunksendungen von Luna sind natürlich auch unsere großen Kommunikationsgeräte sehr störungsanfällig, und das machen sich die Piraten sehr oft zunutze. Vielen Dank für den Tanz.«
Die anderen Mädchen schienen sich nicht recht einig zu sein, welche als nächste an der Reihe war, doch schließlich hatte er eine kleine Brünette im Arm, die – wenigstens teilweise – in ein hochgeschlitztes, flammenfarbiges Stoffgebilde gekleidet war, wie es Kinnison noch nicht gesehen hatte.
»Oh, Mr. Kinnison!« sagte das Mädchen verzückt. »Wenn ich an all die Raumfahrer und natürlich ganz besonders an die Lens-Träger denke – muß ich Sie immer so
bewundern!
Ich finde das Weltall einfach
entsetzlich!
Ich komme
überhaupt
nicht damit zurecht!«
»Sind Sie denn schon mal draußen gewesen, Miß?« fragte er grinsend. Diesem Typ Mädchen war er lange nicht begegnet.
»Aber
natürlich!
« sagte sie betont.
»Vielleicht sogar bis zum Mond?« fragte er.
»Aber seien Sie doch nicht ...
Viel
weiter! Ich bin sogar bis zum
Mars
gereist – und ich wäre fast
verrückt
geworden. Ich dachte, ich
würde
nicht wieder!«
Schließlich war auch diese Plage vorüber, und weitere Tänze mit anderen Mädchen schlossen sich an – doch als die Zeit verging, erkannte Kinnison, daß er aus irgendeinem Grunde nicht mehr die rechte Fröhlichkeit aufbrachte. In seiner Kadettenzeit hatte er Bälle wie diesen in vollen Zügen genossen, doch jetzt ließ ihn das alles völlig kalt. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu den Problemen zurück, die auf ihn warteten. Plötzlich erblickte er ein Mädchen mit einem rotbronzenen Haarschopf und erkannte sofort seine frühere Krankenpflegerin und spätere Assistentin, die er zuletzt nach ihrem Abflug von Boyssia II gesehen hatte.
»Mac!« strahlte er einen Gedanken aus, der nur für sie bestimmt war. »Um Klonos willen – retten Sie mich! Wie viele Tänze müssen Sie noch absolvieren?«
»Keinen – ich verabrede mich nicht vorher.« Wie von einer Nadel gestochen zuckte sie zusammen und hielt mit weitaufgerissenen Augen inne. Ihr Atem ging schneller, und ihr Herz begann heftig zu schlagen. Sie hatte schon manchen Gedanken empfangen, der über eine Lens geschickt wurde, aber das hier war irgendwie anders. Sie konnte in Kinnisons Geist lesen wie in einem offenen Buch! So etwas war doch nur Lens-Trägern möglich! Verzweifelt versuchte sie ihre Gedanken abzuschirmen und an überhaupt nichts mehr zu denken.
»Ruhig, Mac«, drang Kinnisons Gedanke in ihr Gehirn, als ob nichts Ungewöhnliches geschehen wäre. »Ich wollte mich nicht aufdrängen. Allerdings möchte ich behaupten, daß Sie bestimmt schon bis übermorgen besetzt wären, wenn Sie Ihre Tänze im voraus vergeben würden. Darf ich um die nächste Runde bitten?«
»Natürlich, Kim.«
»Besten Dank – und damit schicke ich die Lens für den Rest des Abends zur Ruhe.« Mac seufzte erleichtert auf, als die telepathische
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