Die Grauen Herrscher
Verbindung unterbrochen wurde. Es war, als hätte Kinnison einen Telefonhörer aufgelegt.
»Ich würde ja gern mit Ihnen tanzen«, wandte er sich an die Mädchen, die ihn umringten. »Aber ich bin für den nächsten Tanz schon vergeben. Bis später, vielleicht.« Und mit diesen Worten machte er sich davon.
»Tut mir leid, Herrschaften«, sagte er leise und drängte sich durch die Gruppe von Männern, deren Mittelpunkt Clarissa MacDougall war. »Dieser Tanz gehört mir, nicht wahr, Miß MacDougall?«
Sie nickte, lächelte ihr strahlendes Lächeln, das ihn während seines Krankenhausaufenthaltes so oft geärgert hatte, und das ungleiche Paar begab sich auf das Tanzparkett. Obwohl das Mädchen alles andere als klein war, wirkte sie doch winzig neben der großen, graugekleideten Gestalt. Schweigend tanzten sie eine Runde um den Saal.
»Jetzt fühle ich mich schon viel besser, Mac«, seufzte Kinnison schließlich. »Trotzdem fehlt mir noch der richtige Schwung. Ich passe einfach nicht mehr hierher. Ich weiß nicht, was mit mir los ist, aber irgendwie fühle ich mich unwohl in dieser Umgebung. Scheine ein richtiger engstirniger Raumtramp zu werden.«
»Ein engstirniger Raumfahrer? Das ist doch ein Widerspruch in sich selbst«, erwiderte Mac kopfschüttelnd. »Sie wissen genau, woran es liegt – Sie sind nur zu wohlerzogen, um es offen auszusprechen.«
»Wie bitte?«
»Jawohl«, erwiderte sie bestimmt. »Natürlich fühlen Sie sich in dieser Menschenmenge nicht zu Hause – wie wäre das auch möglich. Auch ich passe nicht mehr hierher und kann mein Unbehagen nicht halb so gut verbergen wie Sie. Kaum eine von zehn Frauen in diesem Saal hat jemals die Stratosphäre verlassen, kaum eine von hundert hat jemals die Jupiterkreisbahn überschritten oder beschäftigt sich mit anderen Dingen als mit Mode und Männern. Und es gibt
keine
, die sich über die Aufgaben eines Lens-Trägers im klaren ist. Da weiß
ich
ja mehr über den Hyperraum!«
»Kleines Kätzchen!« lachte er. »Lassen Sie Ihre Krallen wieder verschwinden, sonst tun Sie noch jemandem weh!«
»Ich bin nicht bösartig – ich sage nur die Wahrheit«, erwiderte sie. »Dabei habe ich mich noch milde ausgedrückt. Ich bin sicher, daß es niemanden im Universum gibt, der ganz genau versteht, was Sie zu tun versuchen, und meiner Meinung nach existieren nur zwei Menschen, die einen leisen Schimmer davon haben. Dr. Lacy gehört entschieden nicht dazu!«
Überrascht hielt Kinnison inne. »Sie scheinen eine ganze Menge zu wissen«, sagte er leise. »Was halten Sie von einen kleinen Spaziergang?«
»Sehr viel«, erwiderte sie, und die beiden lösten sich aus der Menge und gingen langsam in den Garten hinaus. Sie schwiegen, bis sie unter einem weitausladenden Baum auf einer Bank Platz genommen hatten.
»Weshalb sind Sie heute hierhergekommen, Mac? Bitte nennen Sie mir den wirklichen Grund!«
»Ich ... wir ... Sie ... Ich meine, ach, lassen wir das!« stotterte das Mädchen und errötete. Sie faßte sich aber schnell wieder und fuhr fort: »Jedenfalls hat Dr. Lacy manchmal die seltsamsten Einfälle!«
»Ach,
so
war das?« So war es freilich ganz und gar nicht, aber Mac hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als jemals zuzugeben, daß sie heute abend nur wegen Kimball Kinnison hier war. »Sie wissen, daß auch ich nur dem alten Lacy zuliebe gekommen bin?« fragte Kinnison.
»Natürlich – sonst säßen Sie jetzt bestimmt noch an Ihrer Arbeit. Der gute Doktor scheint zu glauben, daß Sie ein wenig Zerstreuung nötig haben.«
»Und Sie?«
»Ich bin anderer Meinung, Kim. Ich bin sicher, daß Sie weiter durchhalten könnten. Sie haben sich eine Aufgabe gestellt, die Sie um jeden Preis lösen. Und Sie
werden
das Problem lösen, und wenn sich Ihnen das Ungeziefer des ganzen Makrokosmos in den Weg stellt!« schloß sie leidenschaftlich.
»Bei Klonos Barthaaren,
Mac!
« rief er, wandte sich um und schaute ihr in die goldfleckigen Augen. Sie hielt seinem Blick nur eine Sekunde stand, dann senkte sie die Augen.
»Sehen Sie mich nicht so an!« Sie schrie fast. »Ich kann das nicht ertragen! Ich weiß, daß Sie Ihre Lens abgeschaltet haben – sonst würde ich hier vor Ihnen im Boden versinken –, aber trotzdem können Sie irgendwie meine Gedanken lesen!«
Das Mädchen wußte, daß sie Kinnison vertrauen konnte; seine Lens war und blieb abgeschaltet. Das beruhigte sie sehr, denn in ihrem Kopf überstürzten sich Gedanken, von denen der Lens-Träger niemals erfahren
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