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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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hatte.
    »Also, so was!« brach Luian abrupt das Schweigen. »Daß wir Kinder aus demselben Viertel uns nach so vielen Jahren hier wiedertreffen!«
    Die smaragdgrünen Augen des Hauptmanns sahen jetzt Qinnitan an. »Ihr müßt sehr glücklich sein, Herrin. Obwohl wir auch einiges erreicht haben, habt Ihr es doch von uns allen am weitesten gebracht. Ehefrau des Goldenen selbst.« Er schlug die Augen nieder. »Eine unvergleichliche Ehre.«
    »Ja, natürlich.«
Obwohl ich ebensogut mit einem Fußkissen oder einer Sandale verheiratet sein könnte, so viel wie bisher daraus gefolgt ist,
hätte sie beinah gesagt, verkniff es sich aber doch. Jeddin wirkte wie ein gläubiger Mensch, und ganz offensichtlich mußte er ja wenigstens, was den Autarchen selbst anging, gottesfürchtig sein. »Ich bin gesegnet durch sein Augenmerk.«
    »Und er ist gesegnet durch ...« Er unterbrach sich und schien zu ihrer Verblüffung zu erröten.
    »Und er, unser Autarch, ist gesegnet von allen Himmeln und besonders von seinem himmlischen Vater Nushash«, sagte Luian abrupt und laut.
    »Ja, gewiß. Preis dem Goldenen«, sagte Jeddin. Qinnitan wiederholte die Ehrfurchtsformel, hatte aber das Gefühl, daß da eben etwas Wichtiges passiert war und sie es nicht mitgekriegt hatte.
    »Wir sollten jetzt gehen, Vetter.« Luian winkte den Tuani-Mädchen, ihr aufzuhelfen, und sie taten es, wobei sie gegen ihr Gewicht ankämpften wie Nomaden, die bei starkem Wind ein Zelt zu errichten versuchten. »Danke für die Erfrischungen und für das Vergnügen Eurer Gesellschaft.« Da war jetzt ein neuer Ton in Luians Stimme, etwas Kühles.
    Jeddin beeilte sich aufzustehen. »Natürlich, hochgeachtete Cousine. Ihr habt
uns
mit Eurer Anwesenheit beehrt.« Er verbeugte sich zuerst vor ihr, dann vor seinen übrigen Besucherinnen. Er tat es mit einer gewissen Grazie, aber das wunderte Qinnitan nicht. Sie stellte sich vor, daß am Hof des Autarchen selbst für einen Soldaten die Kunst, sich zu verbeugen, beinahe so wichtig war wie der geschickte Umgang mit Schwert oder Gewehr. »Ich wollte, Ihr könntet noch bleiben.«
    »Das verbietet die Schicklichkeit«, sagte Luian knapp und segelte zur Tür. Ihre Dienerinnen und Qinnitan flatterten hinterher wie Möwen. Draußen auf dem Gang schloß sich ihnen der massige Wächter an, stumm und schläfrig.
    »Habe ich etwas falsch gemacht, Luian?« fragte Qinnitan, als sie ein ganzes Stück schweigend gegangen waren und sich bereits dem Tor zum Frauenpalast näherten. Luian machte nur eine abwinkende Handbewegung, ob aus Gründen der Diskretion oder aus Ärger war schwer zu sagen. Als sie den gewaltigen Wächter zurückgelassen hatten und wieder innerhalb der Mauern waren, beugte sich Luian zu ihr und sagte in einem harschen Flüsterton, der vielleicht zu leise war, als daß die Tuani-Sklavinnen etwas mitkriegten, vielleicht aber auch nicht: »Du mußt vorsichtig sein. Und Jeddin darf kein Narr sein.«
    »Wie meint Ihr das? Warum seid Ihr böse auf mich?«
    Luian runzelte die Stirn. Die Schminke auf ihren Lippen war in den hellen Gesichtspuder hineinverschmiert, und zum erstenmal erschien sie Qinnitan grotesk und sogar ein bißchen furchterregend. »Ich bin nicht böse auf dich, obwohl ich dich daran erinnern möchte, daß du kein Unterkastenmädchen aus den Gassen hinter der Federumhangstraße mehr bist. Dir sind hohe Ehren zuteil geworden, aber du lebst in einer gefährlichen Welt.«
    »Ich verstehe Euch nicht.«
    »Ach, nein? Du hast nicht gesehen, was ich so klar sehen konnte wie meine eigene Hand am Ende meines Arms? Daß dieser Mann in dich verliebt ist.«
    Trotz ihrer Verblüffung dachte Qinnitan, daß der Schmerz in Luians Gesicht weniger der einer mißachteten Beschützerin war als der einer verschmähten Liebenden.

16

Der Hochedle Riecher
    Im Teiche treibend:
Das Seil, der Knoten, das lose Ende, die Straße.
Hier ist der Ort zwischen den Bergen,
Wo der Himmel gefriert.

Das Knochenorakel
    Collum Saddler war während des ganzen Tagesritts fröhlich gewesen, voller spöttischer Bemerkungen und drolliger Kommentare, das Leben in Südmark betreffend, und er hatte es sogar geschafft, dem Kaufmann Raemon Beck das eine oder andere matte Lächeln zu entlocken. Doch selbst Collum verfiel in düsteres Schweigen, als sie die Kreuzung erreichten. Saddler kam aus dem Osten, von der Grenze zu Brenland, und hatte die alte Nordmärkerstraße noch nie gesehen. Ferras Vansen hatte diese Kreuzung schon etliche Male passiert, fand sie aber

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