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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Gedanke, ein bißchen anzugeben, reizte ihn ohnehin nicht sehr. Seit dem Tod seiner Mutter vor einem Jahr verband ihn wenig mit diesem Land seiner Kindheit. Seine Schwestern und deren Ehemänner waren ihm nach Südmarkstadt gefolgt. Die Leute hier, an die er sich erinnerte, würden sich kaum an ihn erinnern, und außerdem, was hätte er davon, sie mit der Nase auf ihr armseliges Leben zu stoßen? Nur die Kinder der reichen Großbauern, die, die ihn wegen seiner schäbigen Kleider und der seltsamen Sprechweise seines vuttischen Vaters verspottet hatten, die hätte er gern gedemütigt, aber wenn sie die Höfe ihrer Väter geerbt hatten, waren sie jetzt zweifellos reicher als ein kleiner Hauptmann, und sei es der Hauptmann der königlichen Garde.
    Es gibt wirklich nichts mehr, was mich hierherziehen würde,
erkannte er ein wenig überrascht.
Nur die Gräber meiner Eltern, und die liegen einen halben Tagesritt abseits der Straße.
    Leichter Regen hatte eingesetzt; er brauchte einen Moment, um Raemon Beck unter den kapuzenverhüllten Reitern auszumachen. Vansen lenkte sein Pferd neben das des jungen Kaufmanns.
    »Ihr habt Frau und Kinder zu Hause, wenn ich's recht verstanden habe?«
    Beck nickte. Sein Gesicht war grimmig, aber es war die Grimmigkeit eines Kindes, das nur ein harsches Wort von den Tränen entfernt war.
    »Wie heißen sie?«
    Der junge Kaufmann sah ihn mißtrauisch an. Collum Saddlers rauhe Scherze waren nicht immer freundlicher Art gewesen, und Beck fragte sich offensichtlich, ob sich jetzt auch Vansen über ihn lustig machen würde. »Derla. Meine Frau heißt Derla. Und ich habe zwei Söhne.« Er atmete tief ein, ließ dann die Luft mit einem zittrigen Zischen wieder heraus. »Klein-Raemon, das ist der Große. Und Finton, der ist ... der ist noch ein Wickelkind.« Beck wandte sich ab.
    »Ich beneide Euch.«
    »Mich? Ich habe sie schon fast zwei Monate nicht mehr gesehen! Und jetzt ...«
    »Jetzt müßt Ihr noch ein paar Wochen warten. Ich weiß. Aber wir haben ihnen Nachricht geschickt, daß Ihr wohlauf seid und im Dienst der Krone unterwegs ...«
    Becks Lachen hatte einen schrillen Unterton. »Wochen ...? Ihr seid ein Narr, Hauptmann. Ihr habt nicht gesehen, was ich gesehen habe. Sie werden euch alle holen und mich mit. Ich werde meine Familie nie wiedersehen.«
    »Vielleicht. Vielleicht wollen die Götter unser Ende. Sie haben ihre eigenen Pläne und Wege.« Ferras zuckte die Achseln. »Vielleicht würde ich es mehr fürchten, wenn ich mehr zu verlieren hätte. Ich hoffe aufrichtig, daß Ihr heil zu Eurer Familie zurückkehrt, Beck. Ich werde mein Bestes dafür tun.«
    Der junge Kaufmann starrte auf den Hals seines Pferdes. Beck hatte ein gutes Gesicht, dachte Vansen, mit einer kräftigen Nase und klaren Augen, aber nicht viel Kinn. Er fragte sich, wie wohl die Frau dieses Mannes aussah.
Kommt auf Becks Aussichten im Familienunternehmen an,
dachte er: Ein Mann konnte erstaunlich viel größer und schmucker wirken, nur weil er reiche Verwandte hatte.
    »Seid Ihr ... seid Ihr verheiratet?« fragte ihn Beck plötzlich.
    »Mit der königlichen Garde!« rief Collum, der ein paar Schritt weiter drüben ritt. »Und das ist ein heißblütiges Weib — da geht es jeden Zahltag hoch her, bis wir nicht mehr stehen können.«
    Ferras stöhnte, wenn auch belustigt. »Nein, nicht verheiratet. Und das wird sich wohl auch nicht ändern. In einem hat Collum recht — ich bin mit der Garde verheiratet.« Es hatte im Lauf der Jahre ein paar Frauen gegeben, mit denen er es beinah für möglich gehalten hätte, vor allem die Kaufmannstochter, der er auf dem Marktplatz begegnet war. Sie hatten einander gefallen und sich auch ein paarmal getroffen und geredet. Aber sie war schon versprochen gewesen und hatte, wie vorgesehen, einen Pelzhändlerssohn aus Marrinswalk mit einträglichen Beziehungen nach Brenland geheiratet. Ansonsten hatte er bei seinen Liebschaften immer zu hoch oder zu tief gegriffen: die Wirtstochter in einer Schenke namens
Zum wilden Sauschwanz,
nett, aber zweifache Witwe und fünf Jahre älter als er, und dann, als er frisch bei der Wache gewesen war, eine Frau aus dem niedrigen Adel, die von ihrem Mann vernachlässigt wurde.
    Zu hoch
... ? dachte er.
Nein, das war nicht zu hoch — verglichen mit dem Wahnsinn, der jetzt in meinem Herzen tobt.
Prinzessin Brionys Gesicht, als sie ihn fortgeschickt hatte, stand wieder vor ihm: so seltsam, als ob sie ihn doch nicht ganz und gar haßte.
Ein Jahr fühle ich es

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