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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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gesehen?«
    »In jener Nacht nicht, aber ich bin dann auch direkt ins Bett gegangen. Seid Ihr sehr erbost, Hoheit? Ich bin ein alter Mann, und manchmal furchte ich, ich werde allmählich ein geistloser Possenreißer ...«
    »Genug. Ich muß über diese Information nachdenken. Habt Ihr es sonst noch jemandem gesagt?«
    »Nur Euch. Ich ... ich dachte, Ihr würdet ...« Er schüttelte wieder den Kopf, außerstande zu sagen, was er gedacht hatte. »Soll ich es dem Konnetabel sagen?«
    »Nein.« Es war zu vehement herausgekommen. »Nein, ich denke, Ihr solltet es vorerst niemandem mehr sagen. Das bleibt erst einmal unser Geheimnis.«
    »Ihr werft mich nicht in den Kerker?«
    »Ich vermute, Euer Zimmer mit diesem Dichter zu teilen, ist Strafe genug. Ihr könnt gehen, Puzzle.«
    Als der alte Mann davongetapert war, stand sie noch lange vor den Bildern ihrer Ahnen und dachte nach.

23

Der Sommerturm
    Schläfer:
Füße aus Stein, Beine aus Stein,
Herz aus duftender Zeder, Kopf aus Eis,
Das Gesicht abgewandt.

Das Knochenorakel
    Er mußte sich regelrecht durch den Ring der Frauen zu ihr durchkämpfen. Der Hofarzt spürte den Unmut, der ihm entgegenschlug, so als wäre er ein treuloser Liebhaber, der ihr das Kind gemacht und sie dann einsam und beschämt sitzengelassen hatte.
Aber der König ist der Vater, nicht ich, und Olin ist nicht freiwillig abwesend.
    Königin Anissa war jetzt um die Leibesmitte so rund geworden, daß der Rest ihrer zierlichen Gestalt noch winziger wirkte. Als er sie so daliegen sah, mitten auf dem Bett, umgeben von Vorhängen, so hauchzart wie Spinnweben, da hatte er flüchtig das Bild eines Spinnenweibchens, das hochträchtig und reglos in seinem Netz saß. Das war natürlich ungerecht, aber es stimmte ihn doch nachdenklich.
    »Ist es Chaven?« Um ihm Platz zu machen, schob sie ein Hündchen weg, das an ihrer gewölbten Flanke geschlafen hatte wie eine Ratte, die davon träumt, ein riesiges Hippogryphenei zu stehlen. Das Hündchen blinzelte, knurrte und stolperte dann zu seinen Gefährten, die an ihren Füßen schnarchten. »Kommt her, schnell. Ich glaube, ich kann jeden Moment niederkommen.«
    Von ihrem Aussehen her hätte sie recht haben können. Er bemerkte überrascht die dunklen Ringe unter ihren Augen. In diesem Raum mit den verhängten Fenstern, der nur durch das flackernde Licht eines kerzenbestückten Altars notdürftig erhellt wurde, sah sie aus, als wäre sie mißhandelt worden.
    »Ihr braucht mehr Luft in diesem Schlafgemach.« Er nahm ihre Hand und hauchte einen förmlichen Kuß darauf. Die Haut war trocken und warm — beides ein wenig zu sehr. »Und Ihr seht aus, als fändet Ihr nicht genug Schlaf, meine Königin.«
    »Schlaf? Wer könnte in solchen Zeiten schlafen? Der arme Kendrick im eigenen Haus ermordet, von einem Diener, dem die Familie immer vertraut hat, und dann noch diese Seuche in der ganzen Stadt? Wundert es Euch, daß ich die Fenster verhängt habe, damit keine schlechten Dämpfe eindringen können?«
    Shaso ein Diener, dem die Familie immer vertraut habe, das war eine interessante Charakterisierung, und daß die Abwesenheit ihres Gatten in der Aufzählung ihrer Sorgen nicht vorkam, hätte man auch sonderbar finden können, aber Chaven reagierte gar nicht auf ihre Worte. Vielmehr machte er sich daran, den Herzschlag der Königin abzuhören und die Färbung ihrer Augen und ihres Zahnfleischs zu untersuchen. Dann beugte er sich vor, um den Geruch ihres Atems zu prüfen, der im Moment etwas säuerlich war. »Die Seuche ist so gut wie vorbei, Hoheit, und ich denke, Ihr wart durch Eure erkrankte Zofe weit mehr gefährdet als durch irgend etwas, das von draußen hereinwehen könnte.«
    »Und ich habe sie weggeschickt, bis es ihr wieder besser ging, da könnt Ihr sicher sein. Nicht wahr, Selia? Wo ist sie denn? Ist sie nachsehen gegangen, warum ich immer noch kein Frühstück bekommen habe? Aaah! Müßt Ihr so an mir herumbohren, Chaven?«
    »Ich möchte nur sichergehen, daß mit Euch alles zum Besten bestellt ist und daß es dem Kind gutgeht.« Seine Hände bewegten sich über ihren straff gespannten Bauch. Die alte Hebamme starrte ihn immer noch ziemlich unfreundlich an. »Was meint Ihr, Gevatterin Hisolda? Die Königin erscheint mir soweit wohlauf, aber Ihr habt in solchen Dingen mehr Erfahrung.«
    Die alte Frau bedachte ihn mit einem schiefen Lächeln, vielleicht eine Würdigung seiner diplomatischen Anstrengungen. »Sie ist kräftiger, als sie aussieht, obwohl das Kind ganz

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