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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ihr die zudringliche Frage verzeiht. Das ist alles so neu für mich.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Du weißt es vielleicht nicht, aber ich war ja schon einmal verheiratet.«
Und mein jetziger Mann hat mein einziges Kind ermordet und dann auch meinen ersten Mann, und er hat dafür gesorgt, daß sich dessen Sterben über Wochen hinzog.
Das sagte sie nicht und brauchte es auch nicht zu sagen — Qinnitan wußte es längst, so wie es jede im Frauenpalast wußte. »Meine Situation war also ein wenig anders. Ich kam bereits als Frau in das Bett unseres Herrn und Gebieters.« Sie lächelte wieder. »Wir sind ganz schön verwundert, was dich betrifft, viele von uns hier im Frauenpalast. Wußtest du das?«
    »Ihr ... seid verwundert?«
    »Aber ja doch, natürlich. Ein so junges Mädchen, im Grund noch ein Kind«, Arimones Lächeln war ziemlich kühl, »aus, seien wir ehrlich, ziemlich kleinen Verhältnissen. Keine von uns kann sich so recht denken, was das Augenmerk des Goldenen auf dich gelenkt haben könnte.« Sie hob die von Ringen funkelnden Hände. Ihre polierten Nägel waren halb so lang wie ihre langen, schlanken Finger. »Außer dem Liebreiz deiner Unschuld, kleine Schwester, der natürlich ungemein groß ist.«
    Noch nie in ihrem Leben, nicht einmal, als sie vor dem Autarchen gestanden hatte, war sich Qinnitan so unbedeutend vorgekommen.
    »Komm, magst du noch ein bißchen Tee? Ich habe eine Überraschung für dich. Eine angenehme, hoffe ich doch. Versprichst du, es niemandem zu verraten, wenn ich etwas tue, was ein wenig ungezogen ist?«
    Qinnitan konnte nur nicken.
    »Gut. So soll es zwischen Schwestern sein. Dann wirst du also nicht allzu schockiert sein, wenn ich dir sage, daß ich heute einen Mann hierher in mein Haus geholt habe — einen richtigen Mann, keinen Begünstigten. Du hast doch keine Angst, einen richtigen Mann zu treffen, oder? Du hast doch die Straßen deiner Kindheit noch nicht so lange hinter dir gelassen, daß du alle richtigen Männer für Ungeheuer und Mädchenschänder hältst, oder?«
    Verwirrt und ängstlich schüttelte Qinnitan den Kopf. Wußte die Erste Ehefrau von Jeddin? Warum sonst diese ganzen Andeutungen?
    »Gut, gut. Tatsächlich ist er höchst harmlos, dieser Mann. So alt, daß ich glaube, er könnte nicht einmal mehr eine Maus besteigen.« Sie lachte durch die Zähne, und ihre Dienerinnen taten es ihr nach. »Er ist Geschichtenerzähler. Soll ich ihn rufen?« Das war keine echte Frage: Arimone klatschte bereits in die Hände. Gleich darauf trat eine gebeugte Gestalt in bunten Kleidern durch eine der Vorhangtüren.
    »Hasuris«, sagte Arimone, »entschuldigt, daß ich Euch warten ließ.«
    »Ich warte lieber in einem dunklen Vorraum auf Euch, Herrin, als daß ich mich von einer anderen Frau mit Honigfeigen bewirten lasse.« Der alte Mann verbeugte sich tief vor Arimone und sah dann Qinnitan so dreist an, daß er ihr ebensogut hätte zuzwinkern können. »Und das muß die junge Frau sein, von der Ihr mir erzählt habt. Seid gegrüßt, kleine Schönheit.«
    »Ihr seid ein alter Schwerenöter, Hasuris«, sagte Arimone lachend. »Keinen Unsinn, oder ich werde die Wachen des Goldenen rufen, und Ihr werdet unter die Begünstigten gehen.«
    »Meine Hoden und ich, wir erleben unsere gemeinsamen Abenteuer nur noch in der Erinnerung, Große Königin«, sagte er, »von daher macht es keinen großen Unterschied. Aber ich vermute, die Trennung von ihnen könnte schmerzhaft sein, also werde ich schweigen und mich wohl verhalten.«
    »Nein, um Euch wohl zu verhalten, müßt Ihr nicht schweigen. Ihr müßt uns im Gegenteil eine Geschichte erzählen. Warum sonst hätte ich Euch hierher gerufen?«
    »Um meine wohlgeformten Waden zu bewundern?«
    »Elender alter Narr. Erzählt uns eine Geschichte. Vielleicht ...« Die Erste Ehefrau überlegte oder tat jedenfalls so, wobei sie den Zeigefinger an die rote, rote Unterlippe legte. Selbst Qinnitan konnte nicht anders, als sie anzustarren wie ein liebeskranker Jüngling. »Vielleicht die Geschichte von der törichten Henne.«
    »Aber gern, Große Königin.« Der alte Mann verbeugte sich. Aus der Nähe sah Qinnitan jetzt, daß sein weißer Bart um den Mund gelblich verfärbt war. »Hier ist die Geschichte, obwohl sie eher simpel ist und nicht sehr witzig, bis auf den Schluß:
    Es war einmal eine sehr törichte Henne, die sich putzte und spreizte, weil sie sich sicher war, die schönste ihrer Art auf der ganzen Welt zu sein«,
    hub er an.
    »Die anderen

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