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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu schenken.
Ich wollte, sie hätten diese Kreatur gleich mit Pfeilen getötet. Dann wäre Dado noch am Leben. Und Barrick müßte nicht so mühsam gegen die Tränen ankämpfen, daß sein Gesicht ganz steinern ist.
    »Warum so düster, Schwesterchen?« fragte Kendrick. »Es ist ein wunderschöner Tag, und der Sommer hat uns noch nicht gänzlich verlassen.« Er lachte. »Schau dir diese Kleider an! Mein bester Jagdrock. Merolanna zieht mir das Fell über die Ohren.«
    Briony brachte immerhin die Andeutung eines Lächelns zustande. Es stimmte — sie konnte jetzt schon hören, was ihre Großtante sagen würde, und nicht nur wegen des Jagdrocks. Merolannas Zunge fürchteten die meisten auf der Burg, außer vielleicht Shaso, und Briony hätte wetten können, daß der alte Tuani seine Angst nur besser zu verbergen vermochte. »Es ist nur ... ich weiß nicht.« Sie vergewisserte sich, daß ihr schwarzgekleideter Zwillingsbruder immer noch ein paar Dutzend Schritt hinter ihnen ritt. »Ich habe Angst um Barrick«, sagte sie leise. »Er ist in letzter Zeit so wütend. Das heute hat es nur schlimmer gemacht.«
    Kendrick kratzte sich am Kopf und verschmierte sich dabei erneut mit halbgetrocknetem Blut. »Er braucht ein bißchen Abhärtung, Schwesterchen. Leute verlieren Arme oder Beine, aber sie leben ihr Leben weiter und danken den Göttern, daß es sie nicht schlimmer getroffen hat. Es tut ihm nicht gut, immer nur über seine Verletzungen nachzugrübeln. Und außerdem ist er zuviel mit Shaso zusammen — dem starrköpfigsten und kaltherzigsten Menschen in den ganzen Markenlanden.«
    Briony schüttelte den Kopf. Kendrick hatte Barrick noch nie verstanden, was ihn nicht daran gehindert hatte, seinen jüngeren Bruder zu lieben. Und Shaso verstand er auch nicht so recht, obwohl der alte Mann tatsächlich starr und stur war. »Es ist nicht nur das ...«
    Weiter kam sie nicht, weil Gailon Tolly zu ihnen zurückgeritten kam, gefolgt von seiner Leibwache, deren grün-goldene Waffenröcke mit dem Eber von Gronefeld heller leuchteten als der stumpfe Himmel. »Hoheit! Ein Schiff aus dem Süden ist gelandet!«
    Briony wurde es eng ums Herz. »Oh, Kendrick, glaubst du, es ist wegen Vater?«
    Der Herzog von Gronefeld betrachtete sie so nachsichtig, als wäre sie seine eigene, ein wenig verzogene kleine Schwester. »Es ist eine Karracke — die
Podensis
aus Hierosol«, erklärte er dem Prinzregenten, »und es heißt, an Bord sei ein Gesandter von Ludis, mit Neuigkeiten wegen König Olin.«
    Unbewußt hatte Briony die Hand ausgestreckt und Kendricks rotverschmierten Arm ergriffen. Die Flanken ihrer Pferde berührten sich. »Beim Himmel, ihm ist doch nichts passiert, oder?« fragte sie Gailon, ohne die Angst in ihrer Stimme unterdrücken zu können. Der kalte Schatten, den sie schon den ganzen Tag gespürt hatte, schien sich zu verdichten. »Der König ist doch wohlauf?«
    Gronefeld nickte. »Angeblich sagt dieser Mann, Euer Vater sei unversehrt, und er habe unter anderem einen Brief von ihm zu überbringen.«
    »Oh, die Götter sind gut«, murmelte Briony.
    Kendrick runzelte die Stirn. »Aber warum hat Ludis den Gesandten geschickt? Dieser Räuberhauptmann, der sich Protektor von Hierosol nennt, kann doch nicht ernsthaft davon ausgehen, daß wir das ganze Lösegeld bereits beisammen haben. Hunderttausend Golddelphine! Um die aufzubringen, brauchen wir mindestens noch den Rest des Jahres — wir haben ja schon die letzte Kupfermünze aus jedem Tempel und jedem Kaufmannshaus abgeschleppt, und die Bauern stöhnen bereits unter den neuen Abgaben.«
    »Bauern stöhnen immer, Eure Hoheit«, sagte Gailon. »Die sind so faul wie alte Esel — man muß sie zur Arbeit peitschen.«
    »Vielleicht hat der Gesandte aus Hierosol ja diese ganze Jagdgesellschaft in ihren prunkvollen Kleidern gesehen«, sagte Barrick bitter. Niemand von ihnen hatte mitgekriegt, daß er herangeritten war. »Vielleicht hat er sich ja gesagt, wenn wir uns so teure Vergnügungen leisten können, müssen wir das Geld haben.«
    Der Herzog von Gronefeld sah Barrick verständnislos an. Kendrick verdrehte die Augen, ging aber nicht weiter auf die spitze Bemerkung seines jüngeren Bruders ein, sondern sagte nur: »Es muß etwas Wichtiges sein, das ihn herführt. Niemand segelt den ganzen Weg von Hierosol hier herauf, nur um den Brief eines Gefangenen zu überbringen, und sei es ein königlicher Gefangener.«
    Der Herzog zuckte die Achseln. »Der Gesandte bittet für morgen um

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