Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
gebracht hat.
    Er sah den Jungen erschrocken an, weil ihm plötzlich dämmerte, daß Opalia ihn womöglich behalten wollen würde. Eine kinderlose Frau, dachte er, ist so unberechenbar wie eine lose Sandsteinschicht.
    Langsam, eins nach dem anderen.
Chert sah die Wolken übers Meer heranrasen. Vor der riesigen schwarzen Wand wirkten die mächtigen Türme plötzlich so zart und zerbrechlich wie feines Backwerk. Jemand mußte den Leuten des Königs wegen der Schattengrenze Bescheid sagen, da führte kein Weg drum herum.
Wenn ich zur Zunft gehe, gibt es tagelange Diskussionen, und dann wird Zinnober oder der junge Pyrit zum Boten bestimmt, und mir entgeht die Belohnung.
    Aber dafür entgehst du der Strafe, falls du dich getäuscht hast,
machte er sich klar.
    Aus irgendeinem Grund stand es auf einmal alles wieder vor ihm: die junge Prinzessin und ihr Bruder, Brionys erschrockener Blick, als sie dachte, sie hätte ihn niedergeritten, das Gesicht des Prinzen, so düster und unpersönlich wie der Himmel hinter dem Midlanfels. Und er verspürte eine warme Regung, die sich, so albern das auch war, fast wie Loyalität anfühlte.
    Sie müssen es wissen,
befand er, und der Gedanke, was hinter dieser Front von atmendem Dunkel auf sie zukommen könnte, verdrängte so abstrakte Dinge wie die Gunst der Königsfamilie schlagartig aus seinem Kopf. Es gab eine andere Möglichkeit, die Nachricht zu verbreiten, und die würde er nutzen.
Alle müssen es wissen.

    Obwohl sein Pferd tot war und jetzt von drei Bediensteten an dem Hang begraben wurde, an dem der Lindwurm verendet war, hatte Prinz Kendrick selbst nicht viel mehr davongetragen als blaue Flecken und ein paar Verbrennungen vom Giftgeifer des Untiers. Er schien als einziger guter Laune, als die gesamte Jagdgesellschaft zur Burg zurückritt und den zusammengerollten Kadaver des Lindwurms auf einem offenen Wagen mit sich führte, um ihn der staunenden Bevölkerung zu zeigen. An der Marktstraße warteten Hunderte von Menschen darauf, den Prinzregenten und sein Jagdgefolge zu Gesicht zu bekommen. Höker, Gaukler, Musikanten und Taschendiebe waren ebenfalls anwesend, weil sie sich von diesem spontanen Straßenjahrmarkt ein wenig Kleingeld versprachen. Aber Briony fand, daß die meisten Leute düster und bedrückt wirkten. Kaum eine Münze wechselte die Hand, und die Leute, die ganz vorn standen, sahen den vorbeireitenden Adligen mit hungrigen Augen nach und blieben weitgehend stumm, wenn auch einige wenige die königliche Familie und vor allem den abwesenden König Olin hochleben ließen. Kendrick war bei dem Jagdabenteuer von Kopf bis Fuß mit Blut bespritzt worden, und obwohl er sich mit Lumpen und Blättern abgerieben hatte, war ein Großteil seiner Kleidung immer noch dunkelrot getränkt. Trotz des Hautjuckens dort, wo ihn der Lindwurmgeifer verätzt hatte, achtete er darauf, den Bürgern, die sich im Schatten der hohen Häuser an der Marktstraße drängten, zuzuwinken und zuzulächeln, um ihnen zu demonstrieren, daß es nicht sein Blut war.
    Briony fühlte sich, als wäre auch sie mit irgendeiner schmerzhaften Substanz überzogen, die sich nicht abschütteln ließ. Ihr Zwillingsbruder Barrick war so wütend über sein Unvermögen, auch nur einen Speer richtig zu halten, daß er auf dem ganzen Rückweg kein Wort mit ihr oder sonst jemandem gesprochen hatte. Graf Tyne und die anderen tuschelten, zweifellos beleidigt, weil dieser Fremde Shaso sie um ihren Jagderfolg gebracht hatte, indem er den Lindwurm mit einem Pfeil erlegte. Tyne Aldrich gehörte zu jenen Edelleuten, die der Meinung waren, Bogenschießen sei nur etwas für Bauern und Wilderer, eine Unsitte, die vor allem dazu diente, den Rittern den Kriegsruhm zu stehlen. Da der Waffenmeister aber vermutlich dem jungen Prinzen und der Prinzessin das Leben gerettet hatte, äußerten sie ihren Unmut nur leise.
    Und über ein Dutzend Hunde, darunter auch die sanftmütige Dado, eine Bracke, die während ihrer ersten Lebensmonate in Brionys Bett geschlafen hatte, lagen kalt und reglos an dem strauchigen Hang neben Kendricks Pferd und warteten darauf, in dieselbe Grube gelegt zu werden.
    Ich wollte, wir wären nicht mitgeritten.
Sie sah zu dem dunklen Wolkenschleier am Osthimmel empor. Es war, als hinge etwas Unheilverkündendes über diesem ganzen Tag, eine schwarze Krähenschwinge, der Schatten einer Eule. Zu Hause würde sie eine Kerze am Altar der Zoria entzünden und die jungfräuliche Göttin bitten, den Eddons ihre heilende Huld

Weitere Kostenlose Bücher