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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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daß Ihr mit uns speist. Wir haben Eure Gesellschaft gestern abend schon vermißt.«
    »Müde von der Reise«, sagte er. »Und von der Sorge um meinen verschwundenen Bruder natürlich. Das Bangen um Herzog Gailon hat gewiß auch Euch belastet, Hoheit.«
    »Es gibt derzeit offenbar eine Verschwörung von Dingen, die mich belasten, Tolly, und das plötzliche Verschwinden Eures Bruders ist eines davon. Vielleicht habt Ihr ja auch gehört, daß mein Bruder Kendrick tot ist.«
    Er quittierte diesen Hieb mit dem Hochziehen einer Augenbraue. »Aber natürlich, Hoheit, gewiß! Ich war erschüttert, als mich die Nachricht ereilte, aber zu dem Zeitpunkt war ich gerade auf Reisen im nördlichen Syan, und da Gailon ja hier war, um die Familie bei der Beisetzung zu vertreten ...«
    »Ja, gewiß.« Sie fragte sich plötzlich, was Hendon wirklich ausgerechnet jetzt hierhergeführt hatte. Der zwei- bis dreitägige Ritt von Gronefeld bis an den Hof von Südmark schien doch ein ziemlich großer Aufwand, um lediglich ein wenig Ärger zu machen. Die Sache mit Brones Spion und seiner Warnung, daß der Autarch Kontakte zu den Tollys unterhalte — das ging Briony nicht aus dem Kopf, obwohl sie sich keinen Reim darauf machen konnte. Nicht daß sie den Tollys keinen Verrat zugetraut hätte, aber es schien doch ein extremer und riskanter Schritt für eine Familie, die bereits ein üppiges, komfortables Leben führte. Aber, wie ihr Vater immer gesagt hatte, die Aussicht auf einen Thron konnte Leute dazu bringen, die merkwürdigsten Dinge zu tun. »Aber jetzt habe ich wirklich zu tun. Ich nehme an, Ihr werdet auch beschäftigt sein. Beispielsweise werdet Ihr sicher Eurer Familie eine Botschaft schicken wollen, sobald Ihr meine Neuigkeiten vernommen habt.«
    Er war sichtlich verdutzt. »Neuigkeiten? Habt Ihr etwas von Gailon gehört?«
    »Leider nein. Aber ich habe trotzdem Neuigkeiten.«
    »Ihr seid mir voraus, Hoheit. Was gibt es? Wollt Ihr mich bis heute abend zappeln lassen?«
    »Es erstaunt mich, daß Ihr es noch nicht gehört habt. Wir haben Krieg.«
    Für einen Moment wurde Hendon Tolly tatsächlich blaß — dieser Anblick war die Demütigung wert, eine Viertelstunde in durchgeschwitzten Kleidern dazustehen. »Wir ... wir ...?«
    »Oh, nein, nicht Südmark und Gronefeld, Hendon.« Sie lachte und machte keinen Versuch, ihm artig über den Schock hinwegzuhelfen. »Nein, wir sind doch eine Familie, die Tollys und die Eddons. Im Gegenteil, Ihr werdet uns zweifellos unterstützen — die gesamten Markenlande werden gemeinsam in den Krieg ziehen.«
    »Aber ... aber gegen wen denn?« fragte er. Selbst das Mädchen sah jetzt auf und starrte sie an.
    »Nun, gegen die Elben natürlich. Und jetzt müßt Ihr mich bitte entschuldigen, es gibt wirklich eine Menge zu tun. Unser Heer wird im Morgengrauen aufbrechen.«
    Es war ihr eine immense Befriedigung, Hendon Tolly und seine Begleiterin sprachlos zurückzulassen, aber der Schlagabtausch mit ihm hatte alles, woran sie vorher gedacht hatte, aus ihrem Kopf verdrängt, und jetzt forderten bereits ein Dutzend andere Dinge dringend ihre Aufmerksamkeit. Sie hoffte, daß es nichts Wichtiges gewesen war.

    Chert und Giebelgaup sagten jetzt beide nicht mehr viel. Der Proviant war längst aufgezehrt, der Wasserschlauch nicht einmal mehr halb voll, und in der Enge hier unten war es sehr warm geworden.
    Nachdem sie aus den Funderlingsstollen in die Höhlen am anderen Ende gelangt waren, hatten sie sich durch eine verwirrende Vielzahl von Gängen immer weiter abwärts bewegt. Die Gänge waren, soweit Chert sehen konnte, alle natürlichen Ursprungs, obwohl es seltsam war, auf so lange und klar geformte Naturgänge zu stoßen. Sie waren zwar nicht schwer zu begehen — meistens mußte Chert nicht einmal den Kopf einziehen —, aber labyrinthisch: Wenn er sich einzig und allein auf die Erinnerung an seine eigene Pilgerfahrt vor so vielen Jahren hätte verlassen müssen, hätten sie sich gründlich verirrt. Nur Giebelgaups nahezu lautlose Richtungsanweisungen — Zupfen und Stupfen und ab und zu ein geflüstertes Wort, wenn seine Nase in einer bestimmten Richtung eine stärkere Witterung wahrnahm — gaben Chert noch Hoffnung, Flint zu finden und hier wieder herauszukommen.
    Sie waren wirklich seltsam, diese Gänge, nicht nur, weil sich so schwer ausmachen ließ, ob sie wirklich ganz und gar natürlich waren. Die Luft war zwar heiß und stickig, aber es lag auch ein seltsam süßlicher Geruch darin, der jeden, der

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