Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Überraschung mehr Mühe, korrekt zu sprechen. Der Raum war, bis auf ein niedriges Feuer im Kamin und ein paar Kerzen, dunkel, und weder die übliche Dienerinnenschar, noch die Hebamme schienen anwesend. Briony ging ans Bett und zog den Vorhang auf. Ihre Stiefmutter schlief mit offenem Mund, die Hände schützend um den Bauch gelegt. Briony berührte sie sanft an der Schulter.
    »Anissa? Ich bin's, Briony. Ich wollte einen Trunk mit Euch nehmen und Euch alles Gute zum Winterfest wünschen.«
    Anissas Augen öffneten sich flatternd, schienen jedoch im ersten Moment nicht viel wahrzunehmen. Dann fanden sie Briony und weiteten sich, so wie es Selias Augen bei Chavens Anblick getan hatten. »Briony? Was machst du hier? Ist Barrick auch da?«
    »Nein, Anissa«, sagte sie sanft. »Er ist doch mit dem Grafen von Wildeklyff und den anderen ins Feld gezogen, wißt Ihr nicht mehr?«
    Die zierliche Frau versuchte sich aufzusetzen, stöhnte, grub dann die Ellbogen in die Kissen und schaffte es, sich hochzustemmen. »Doch, natürlich, ich bin noch verschlafen. Dieses Kind macht mich immerzu müde!« Sie musterte Briony stirnrunzelnd. »Aber was führt dich her, liebes Kind?«
    »Ihr habt mich eingeladen. Heute ist Winterfest. Habt Ihr das vergessen?«
    »Ach, ja?« Sie sah sich um. »Wo sind Hisolda und die anderen? Selia, warum sind sie nicht hier?«
    »Ihr habt sie weggeschickt, Herrin. Ihr seid noch voll von Schlaf, das ist alles. Ihr erinnert Euch nicht.«
    Doch Anissa bemerkte jetzt den Arzt, und wieder spiegelte ihr Gesicht Überraschung. »Chaven? Seid Ihr es wirklich? Warum seid Ihr hier? Ist etwas mit dem Kind?«
    Er trat zu Briony ans Bett. »Nein, ich glaube nicht«, sagte er, aber ohne seinen üblichen Humor.
    Anissa bemerkte es, und ihr Gesicht wurde ängstlich. »Was ist? Was ist los? Ihr müßt es mir sagen.«
    »Das werde ich«, sagte Chaven. »Wenn mir die Prinzregentin einen Moment gewährt. Doch zuerst sollte ich wohl die Wachen hereinrufen.«
    »Die Wachen?« Anissa versuchte, ganz aus dem Bett zu kommen. Ihr Gesicht wurde blaß, ihre Stimme immer schriller. »Warum Wachen? Was geht hier vor? Sagt es mir! Ich bin die Gemahlin des Königs!«
    Briony war völlig verwirrt, ließ jedoch zu, daß Chaven zur Tür ging, um den jungen Millward und dessen stoppelbärtigen Kameraden hereinzurufen. Beide schien das Schlafgemach der Königin nervöser zu machen als jeder bewaffnete Feind. Selia trat zu ihrer Herrin, die jetzt auf der Bettkante saß und mit den blassen, kleinen Füßen nicht bis auf den Boden kam. Die Zofe legte schützend den Arm um Anissas Schultern und sah Chaven trotzig an.
    »Ihr macht mir angst«, sagte die Königin, deren Akzent jetzt ebenfalls stärker war. »Briony, was soll das? Warum behandelst du mich so?«
    Briony antwortete ihrer Stiefmutter nicht, fragte sich aber doch, ob es unbedacht gewesen war, Chaven mitzunehmen. Vielleicht hatte sein Verschwinden ja damit zu tun, daß er nicht mehr ganz richtig im Kopf war. Sie suchte den Blick des jungen Millward, um ihm zu bedeuten, daß er sich an sie und nicht an den Arzt halten sollte, was weitere Befehle anging.
    »Wenn Ihr unschuldig seid, meine Königin, werde ich Euch demütigst um Verzeihung bitten. Und auf keinen Fall werde ich Euch oder Eurem ungeborenen Kind etwas antun. Ich möchte Euch nur etwas zeigen.« Chaven griff in die Tasche und zog ein gräuliches Ding hervor, ungefähr so lang wie ein Kinderdaumen. Erst jetzt, da er ins Licht getreten war, sah Briony, daß seine Kleider zerrissen und dreckig waren. Wieder kamen ihr Zweifel.
    Chaven streckte die Hand mit dem Stein aus, und beide, Anissa und ihre Zofe, schraken zurück, als wäre es der Kopf einer Giftschlange. »Was ist das?« fragte Anissa flehend.
    »Das genau ist die Frage«, sagte Chaven. »Eine Frage, die zu beantworten ich mir alle Mühe gegeben habe. Das hat mich in den letzten Tagen an allerlei seltsame Orte und zu allerlei seltsamen Menschen geführt, aber ich glaube, jetzt weiß ich es. Im Süden nennt man so etwas einen
Kulikos.
Es ist eine Art magischer Stein, etwas, das man hauptsächlich auf dem südlichen Kontinent findet, das aber gelegentlich auch bis nach Eion gelangt — zum Leidwesen vieler.«
    »Berührt mich nicht damit!« kreischte Anissa, und obwohl Briony selbst verdutzt war, fand sie die Reaktion ihrer Stiefmutter doch übertrieben.
    Chaven sah Anissa streng an. »Ah, wie ich sehe, kennt Ihr Euch mit so etwas aus. Aber wenn Ihr nichts Unrechtes getan

Weitere Kostenlose Bücher