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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihren Bruder Kendrick getötet hatte. Sie war unbewaffnet, trug ein absurdes Kleid. Sie war verloren.
    Briony ergriff einen schweren Kerzenhalter und schwang ihn, aber eine der Klauenhände fegte ihn ihr mit einem lauten Klirren aus der Hand. Etwas stürzte an ihr vorbei; eine lange Stange rammte sich in den Bauch des Monsters, trieb es für einen Moment zurück.
    »Lauft, Hoheit!« schrie der junge Millward und versuchte, das Ungeheuer mit der Pikenspitze seiner Hellebarde zu fixieren wie einen wilden Eber. »Luwis, hilf mir!«
    Sein Kamerad ließ sich Zeit, ihm zu Hilfe zu kommen; bis er ein paar zaghafte Schritte in den Staubsturm vorgedrungen war, hatte das Ungeheuer Millwards Hellebarde zerschmettert wie eine Zuckerstange und war wieder frei. Es schlurfte auf den zweiten Wachsoldaten zu, wich seiner Pike aus. Statt davonzurennen, stand Briony wie angewurzelt da und starrte hin. Warum zogen die Wachen nicht ihre Schwerter — wer konnte so dumm sein, in einem so kleinen Raum mit so langen Waffen zu kämpfen? Aufblitzende Krallen hieben nach dem Bauch des zweiten Wachsoldaten; er fiel rückwärts um, die Hände in das zerfetzte Panzerhemd gekrallt, aus dem teerschwarzes Blut quoll.
    Das Ungeheuer lauerte jetzt zwischen Briony und der Tür. Der kurze Moment der Unentschlossenheit hatte genügt: Sie saß in der Falle. Sie glaubte zu sehen, wie sich hinter dem Monster etwas bewegte — Chaven, der das Weite suchte? Der junge Millward hatte jetzt endlich das Schwert gezogen; er hieb nach dem Etwas, aber es wich keinen Zoll, gab nur ein grollendes Zischen von sich, ein Geräusch, das eher wie das Reiben von Stein an Stein klang denn wie der Atem eines Lebewesens, und zog sich in sich selbst zurück: Seine schattenhafte Gestalt wurde dunkler und dichter. Einen Herzschlag lang glaubte Briony, das Gesicht der Zofe Selia zu erkennen, triumphierend und irre, den Mund zu einem stummen Jubelschrei verzogen.
    Der junge Wachsoldat schrie vor Angst und Entsetzen, während er auf das formlose Etwas einhieb. Einen Moment lang schien es, als hätte er es tatsächlich verwundet — das Ungeheuer war auf fast schon menschliche Maße geschrumpft und hatte die Klauen wie flehende Hände erhoben, das dunkle Gesicht nichts als ein stöhnender, zahnloser Mund. Doch dann hieben die Krallen so schnell zu, daß Briony es fast nicht sah; Heryn Millward sackte in sich zusammen, und Blut sprudelte aus seiner leeren Augenhöhle.
    Briony blieb die Luft weg; die Angst drohte ihr Herz zu zerquetschen. Der
Kulikos-Dämon
kam auf sie zu, die Umrisse verschwommen, nichts wirklich klar bis auf die funkelnden Augen und die klickenden, langen Klauen, die sich öffneten und schlossen, öffneten und schlossen. Sie stolperte und fiel hin, tastete verzweifelt nach einem Schemel, nach irgend etwas, um diese schrecklichen Dolche abzuwehren. Ihre Finger faßten etwas, aber es war nur ein Teil des zerschmetterten Hellebardenschafts, ein splittriges Stück Holz. Sie hielt es vor sich, aber ihr war klar, daß es gegen diese Kräfte und diese gräßlichen Sichelklauen nicht mehr nützen würde als ein Stück Besenstroh.
    Da schwang sich plötzlich ein Flammennest hinter dem Ungeheuer empor und umgab es für einen Moment mit einem glühenden Schein, so daß es nicht mehr wie ein schlammigdunkler Alb wirkte, sondern wie ein Feuerdämon aus Kernios' tiefstem Reich. Das Feuer krachte auf das verschwommene Haupt des Monstrums herab, wurde zu einem Regen von Funken und Flammenbändern. Die Kreatur stieß ein fauchendes Wütgeheul aus, das alles in Briony erzittern ließ. Es fuhr zu Chaven herum, der zurücksprang, den eisernen Feuerkorb aus den rauchenden, versengten Händen fallen ließ und es irgendwie schaffte, nicht von dem Klauenhieb zerfetzt zu werden. Flammen züngelten über den Körper des Monsters, krönten sein formloses Haupt, loderten immer höher, bis sie an der Balkendecke leckten. Im Rückwärtstaumeln riß das Wesen die Vorhänge vom Bett und verwickelte sich darin wie ein Bär in einem Fangnetz. Es wand sich, schlug mit den Klauenhänden um sich, und wieder wurde Selias Gesicht sichtbar, diesmal zu einer erschrockenen Grimasse verzerrt. Das Monster rupfte und zerrte an den brennenden Vorhängen, und sie lösten sich bereits: Gleich würde es wieder frei sein. Kalte Wut ließ Briony vorwärts stürmen, den Hellebardenschaft mit beiden Händen umklammert. Sie rammte ihn, so fest sie konnte, dem gräßlichen Etwas mitten in den Leib. Es war, wie gegen eine

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