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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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habt, meine Königin, habt Ihr nichts zu fürchten.«
    »Ihr wollt einen Fluch über mein Kind bringen! Über das Kind des Königs!«
    »Was soll das, Chaven?« fragte Briony ungehalten. »Sie steht kurz vor der Niederkunft. Warum macht Ihr ihr angst?«
    Er nickte. »Ich will es Euch erklären, Prinzessin Briony. Einer der Arbeiter, die die Gruft Eures Bruders hergerichtet haben, brachte mir diesen Stein, weil er ihn merkwürdig fand. Ich muß leider zugeben, in dem Moment habe ich mir keine großen Gedanken darüber gemacht, aber damals, nach Kendricks Tod, ging mir so vieles im Kopf herum. Ich weiß, da bin ich nicht der einzige.«
    Briony sah zu den beiden Frauen hinüber, die sich auf der Bettkante aneinanderdrängten. Der Raum fühlte sich sonderbar an, als ob ein Gewitter unmittelbar über ihnen hinge und die Luft knistern ließe. »Weiter, kommt zur Sache.«
    »Aber irgend etwas an diesem Ding beunruhigte mich doch, und ich begann mich zu fragen, ob es vielleicht zu einer bestimmten Art von Objekten zählte, die ich in alten Büchern erwähnt gefunden hatte. Ich fand heraus, daß die Stelle, wo es gefunden worden war, auf der direkten Linie zwischen dem Außenfenster eines Raums neben Kendricks Gemächern und dem Frühlingsturm liegt — dem Turm, in dem wir uns jetzt befinden und der fast ausschließlich als Sitz der Königin und ihres Haushalts dient.«
    »Er redet irre«, stöhnte Anissa. »Sag ihm, er soll aufhören, Briony. Das macht mir solche Angst.«
    Der Arzt sah Briony an, aber ihr Herz schlug jetzt schneller, und sie wollte den Rest hören. »Die Fenster jener Gemächer liegen hoch über dem Boden«, rief sie Chaven in Erinnerung. »Brone hat sie alle abgesucht. Da war nirgends ein Seil.«
    »Ja.« Es war warm im Raum. Chaven schwitzte, seine Stirn glänzte im Kerzenschein. »Was es um so sonderbarer macht, daß ich in der weichen Erde unter jenem Fenster Spuren fand, die besagten, daß dort etwas Schweres gelandet war. Die Abdrücke waren so tief, daß sie auch nach all den Tagen nicht verschwunden waren.«
    Briony starrte ihn an. »Augenblick, Chaven. Wollt Ihr behaupten, Anissa ... eine Frau mit einem Kind im Leib, dem Kind des Königs ...
sei aus einem hochgelegenen Fenster gesprungen?
Hinab in den Garten? Wollt Ihr sagen, sie habe irgendwie Kendrick und seine Wachen getötet und sei dann aus dem Fenster gesprungen und geflohen?« Sie holte tief Luft und hob die Hand, bereit, seine Festnahme zu befehlen. »Das ist doch der reine Wahnsinn.«
    »Ja, schaff ihn weg, Briony«, jammerte Anissa. »Rette mich, Briony!«
    »Er erschreckt meine Herrin, die Königin«, rief Selia. »Warum tun die Wachen nichts?«
    »Es klingt allerdings wie Wahnsinn, Hoheit«, gab Chaven zu. Für einen Irren wirkte er sehr ruhig. »Deshalb, finde ich, solltet Ihr meine ganze Geschichte hören, ehe Ihr darüber urteilt. Mir war klar, Hoheit, daß mir niemand eine solche Geschichte abnehmen würde — ich konnte es ja selbst nicht glauben —, aber das, was ich über
Kulikos-
Steine gelesen hatte, ging mir nach und beunruhigte mich. Ich beschloß, daß ich mehr darüber wissen mußte. Ich machte mich auf die Suche nach diesem Wissen und fand es schließlich, wenn auch um einen hohen Preis.« Er hielt inne und wischte sich mit dem verschlissenen Ärmel die Stirn. »Einen sehr hohen. Doch ich erfuhr, daß im Süden Eions ein
Kulikos-Stein
als etwas gilt, das einen mörderischen Geist heraufbeschwört. Und daß diese uralte Magie so mächtig und so schrecklich ist, daß vielerorts schon der Besitz eines solchen Steins mit dem sofortigen Tode bestraft wird.«
    Als Briony ihn im flackernden Kerzenlicht so reden hörte, kam sie sich vor wie in einer alten Geschichte — keiner Sage von Heldentum und himmlischer Belohnung, wie sie Puzzle eben beim Festmahl vorgetragen hatte, sondern etwas viel Älterem und Grausigerem.
    »Warum sagt Ihr all diese törichten Sachen zu meiner Herrin, wenn es ihr nicht gut geht?« fragte Selia mit schriller Stimme. »Selbst wenn jemand etwas Böses getan hat und dann hier am Frühlingsturm vorbeigerannt ist, was haben wir damit zu tun? Warum sagt Ihr das alles zu ihr?«
    Die Wachen, die an der Tür standen, flüsterten miteinander, verwirrt und ein wenig ängstlich. Briony wußte, sie konnte das Ganze nicht mehr lange so weiterlaufen lassen. »Begründet Eure Anschuldigungen, Chaven«, befahl sie.
    »Nun gut«, sagte er. »Ich habe etwas Interessantes über den mörderischen
Kulikos-Geist
erfahren.

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