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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Straßenhändler, die ihre Ware von den Märkten der oberirdischen Stadt herabbrachten, Schleifer und Polierer, die lauthals ihre Dienste anboten, und Horden von Kindern auf dem Weg in die Zunftschulen. Flint machte große Augen. Überall brannten die Taglaternen, und an einigen Stellen fiel natürliche Herbstsonne durch Öffnungen im mächtigen Steindach und übergoß die Straßen mit Gold, obwohl der Tag draußen im Ganzen eher düster wirkte.
    Chert traf viele Bekannte, und die meisten riefen ihm einen Gruß zu. Ein paar grüßten auch Jung-Flint, sogar mit Namen, wenngleich andere den Jungen mißtrauisch oder gar mit kaum verhohlener Abneigung musterten. Zunächst erstaunte es Chert, daß jedermann den neuen Namen des Jungen zu wissen schien, aber dann ging ihm auf, daß Opalia mit den anderen Frauen gesprochen hatte. In den engen Grenzen der Funderlingsstadt machten Neuigkeiten schnell die Runde.
    »Meistens würden wir da oben langgehen«, sagte er an der Stelle bei der Kieswerkerhalle, wo das ordentliche Straßenrad etwas weniger ordentlich wurde und die Erzstraße sich in zwei Straßen gabelte, von denen die eine eben verlief, während die andere abfiel, »aber in der Richtung, in die wir müssen, sind die Stollen noch nicht alle fertig, deshalb gehen wir erst noch beim Salzsee vorbei. Wenn wir dort sind, mußt du still sein und darfst nicht dazwischenreden.«
    Der Junge war ganz damit beschäftigt, die Steinmetzarbeiten an den Häuserfassaden zu betrachten, die jeweils ein kompliziertes Gewebe nicht immer ganz wahrheitsgetreuer Szenen aus der Familiengeschichte darstellten, und fragte gar nicht, was der Salzsee war. Sie folgten eine Viertelstunde der abfallenden Unteren Erzstraße, bis sie den rohen Fels erreichten, der den Rand der Stadt markierte. Chert führte den Jungen an etlichen Männern und einigen Frauen vorbei, die am Straßenrand herumstanden — Taglöhner, die an den Eingängen zum Salzsee warteten, in der Hoffnung, sich irgendwo verdingen zu können. Dann betraten sie durch eine überraschend bescheidene Tür in einer rohen Felswand die sanft glühende Höhle.
    Der Salzsee selbst, der den größten Teil der riesigen Naturhöhle ausfüllte, war ein Meeresarm, der weit in den Midlanfels hineinreichte und dafür sorgte, daß die Funderlinge auch in den schummrigsten Winkeln ihrer verborgenen Stadt jederzeit wußten, ob Ebbe oder Flut war. Der Rand des Sees war unwegsam, voller spitzer, scharfkantiger Steine, und die bereits anwesenden Funderlinge bewegten sich vorsichtig. Es hätte höchstens ein paar Wochen Arbeit gekostet, die Höhle und ihren steinigen Strand so ordentlich zu gestalten wie den Stadtkern, aber selbst die verbesserungswütigsten Funderlinge hatten das nie ernsthaft erwogen. Der Salzsee gehörte zu den Orten, um die sich die ältesten Funderlingsmythen rankten — ein solcher Mythos besagte, daß der Gott, den die Großwüchsigen Kernios und die Funderlinge in ihrer geheimen eigenen Sprache »Herr des heißen, nassen Steins« nannten, das Funderlingsgeschlecht hier am Ufer des Salzsees erschaffen hatte, in den Zeiten des Erkaltens.
    Von alledem erzählte Chert dem Jungen nichts. Er wußte ja nicht genau, wie lange das Kind bei ihnen bleiben würde, und die Funderlinge waren Außenstehenden gegenüber vorsichtig. Es war viel zu früh, auch nur daran zu denken, ihn in irgendeins der Mysterien einzuweihen.
    Der Junge turnte über den unebenen, steinigen Grund wie eine Spinne und stand schon wartend am Ufer, das wachsame Gesicht vom Leuchten des Sees gelbgrün getönt, als Chert ihn endlich einholte. Chert hatte gerade sein Bündel abgenommen und zu Füßen des Jungen abgesetzt, als ein winziges, krummbeiniges Männlein aus einer Ansammlung mächtiger Steinbrocken auftauchte und sich den Bart wischte, während es noch den letzten Bissen von irgend etwas hinunterschluckte.
    »Bist du das, Chert? Meine Augen sind heute so müde.« Der kleine Mann, der vor ihnen stand, ging Chert nur bis zur Taille. Der Junge starrte den Neuankömmling mit unverhohlenem Staunen an.
    »Ja, ich bin's, Block.« Jetzt sah der Junge Chert an, über den Namen des Fremden mindestens ebenso verwundert wie über dessen Körpergröße. »Und das ist Flint. Er wohnt bei uns.« Er zuckte die Achseln. »Das war Opalias Idee.«
    Der kleine Mann sah zu dem Jungen empor und lachte. »Da steckt sicher eine Geschichte dahinter. Hast du's zu eilig, um sie mir gleich zu erzählen?«
    »Leider ja, aber ich werde es

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