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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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nachholen.«
    »Zweimal also?«
    »Ja, danke.« Er zog ein Kupferstück aus der Tasche und gab es dem Winzling, der es in die Bauchtasche seiner klatschnassen Kniehose steckte.
    »Bin in drei Tropfen wieder da«, sagte Block und wieselte über den steinigen Strand zum Wasser hinab, trotz seiner krummen Beine und seines Alters fast so behende wie der Junge.
    Chert sah, wie Flint ihm nachstarrte. »Das ist das erste, was du über unser Volk lernen mußt, Junge. Wir sind keine Zwerge. Wir sind so klein erschaffen. Es gibt Großwüchsige, die klein sind — nicht Kinder wie du, sondern einfach nur klein geraten —, und das sind Zwerge. Und es gibt auch Funderlinge, die, gemessen an ihresgleichen, klein sind, und zu denen gehört Block.«
    »Block ...?«
    »Seine Eltern haben ihn so genannt, weil sie hofften, dann würde er wachsen. Es gibt Leute, die ihn damit aufziehen, aber kaum je öfter als einmal. Er ist ein guter Kerl, aber er hat eine scharfe Zunge.«
    »Wo ist er hingegangen?«
    »Er taucht. Es gibt eine Art Stein, die in diesem Tümpel wächst — ein Stein, der von kleinen Lebewesen erschaffen wird, so wie eine Schnecke sich ihr Haus erschafft. Er heißt
Koralle.
Die Koralle, die im Salzsee wächst, leuchtet ...«
    Ehe er seine Erklärung zu Ende führen konnte, stand Block schon wieder vor ihnen, in jeder Hand einen Brocken des leuchtenden Steins. Obwohl dessen Glühen nachließ, wenn man ihn aus dem Wasser nahm, war das Licht doch immer noch so hell, daß Chert die Adern in den Fingern des kleinen Mannes sehen konnte. »Die hier haben sich gerade erst entzündet«, sagte Block befriedigt. »Sie müßten den ganzen Tag halten, wenn nicht noch länger.«
    »Wir brauchen sie gar nicht so lange, aber besten Dank.« Chert zog zwei ausgehöhlte Hornspitzen, beide glasdünn geschliffen, aus seinem Bündel, ließ in jede einen Brocken Koralle fallen und füllte sie dann mit Salzwasser aus Blocks Eimer, um das Glühen wieder zu wecken und die kleinen Lebewesen im Inneren der Koralle am Leben zu halten. Im Wasser leuchteten die Steinbrocken sofort wieder auf.
    »Wollt ihr keine reflektierenden Schalen?« fragte Block.
    Chert schüttelte den Kopf. »Wir werden nicht arbeiten, nur herumlaufen. Ich mochte lediglich, daß wir uns gegenseitig sehen können.« Er verschloß beide Hörner mit beinernen Pfropfen, entnahm dann seinem Bündel eine enganliegende Lederhaube, setzte sie Flint auf und steckte einen der glühenden Behälter mit Seewasser und Koralle in die Halterung auf der Stirn des Jungen. Mit seiner Haube machte er dasselbe. Dann verabschiedeten sie sich von Block und machten sich auf den Rückweg durch die Salzseehöhle. Der Junge bewegte sich in unregelmäßigen Kreisen voran und beobachtete die bizarren Schatten, die seine Stirnlampe warf, während er von Stein zu Stein kletterte.
     
    Obwohl die Decke abgestützt und der Boden gepflastert war, lag die Straße doch so weit draußen im Stollennetz, daß sie noch keinen Namen hatte. Den Jungen, der selbst erst gestern abend einen bekommen hatte, schien das nicht weiter zu irritieren. »Wo sind wir?«
    »Jetzt? Ungefähr auf Höhe des Tors zur Funderlingsstadt, aber es liegt ein ganzes Stück dort drüben. Wir gehen von dem Tor weg, auf der Linie der Mauer des inneren Zwingers. Ich glaube, die letzte neuere Straße, die wir überquert haben, Grünsteinstraße oder wie sie auch heißt, steigt an und kommt ganz in der Nähe des Tors heraus.«
    »Dann kommen wir unter ... unter ...« Der Junge dachte kurz nach. »Unterm Fuß von dem Turm mit der goldenen Feder durch.«
    Chert blieb verblüfft stehen. Der Junge hatte nicht nur von dem gestrigen Fußmarsch ein winziges Detail im Gedächtnis behalten, sondern auch die Entfernungen und Richtungen korrekt berechnet. »Woher weißt du das?«
    Klein-Flint zuckte die Achseln, und der scharfe Verstand verbarg sich wieder hinter den grauen Augen wie ein Reh, das aus einem Sonnenflecken in den Schatten wechselt.
    Chert schüttelte den Kopf. »Aber du hast recht, wir kommen unterm Frühlingsturm durch — wenn auch nicht direkt darunter. Wenn wir erst mal die tiefgelegenen Teile der Funderlingsstadt verlassen haben, können wir nicht direkt unter den inneren Zwinger gelangen. Keine der höher gelegenen Funderlingsstraßen führt dorthin. Das ist ... verboten.«
    Der Junge kaute an seiner Unterlippe, dachte wieder nach. »Vom König?«
    Chert hatte gewiß nicht vor, mit einem Kopfsprung in die tiefsten Mysterien einzutauchen,

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