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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht ohne weiteres wegzuschieben vermochte —, sondern die Flüchtigkeit aller Dinge.
Du kannst machen, was du willst, am Ende läuft es doch auf das hier hinaus. Ob du nun einsam in deinem Haus sitzt und Geld hortest, oder ob du in der Zunfthalle feierst und singst und all deinen Freunden und Verwandten Moosbräu spendierst, am Ende kriegst du doch das hier — oder es kriegt dich ...
    Er blieb vor einer Nische stehen. Auf dem Deckel des Steinsargs ruhte ein Mann in voller Rüstung, den Helm in der Armbeuge, die Hände auf der Brust um den Schwertgriff geschlossen. In seinen Bart waren Bänder geflochten, und jedes einzelne Band war sorgsam, ja, geradezu liebevoll ausgestaltet.
    »Hier liegt der Vater des Königs«, erklärte er Flint. »Der alte König Ustin. Er war ein stolzer Mann, aber eine Geißel für die Feinde des Landes und gerecht zu unserem Volk.«
    »Er war ein hartherziger Bastard«, sagte ein Mann aus dem Arbeitstrupp leise.
    »Wer war das?« Chert funkelte die Leute grimmig an. »Du, Bims?«
    »Und wenn?« Der junge Funderling, noch keine drei Jahre Zunftmitglied, starrte zurück. »Was haben Ustin und seinesgleichen je für uns getan? Wir bauen ihnen Burgen und schmieden ihnen Waffen, damit sie sich gegenseitig abschlachten können — und uns auch, alle paar Generationen und was kriegen wir dafür?«
    »Wir haben unsere eigene Stadt ...«
    Bims lachte. Er war glutäugig, dunkel und dünn. Chert dachte, daß der Bursche irgendwie in die falsche Familie hineingeboren worden war.
Der hätte ein Schwarzglas werden sollen.
»Kühe haben ihre eigenen Wiesen. Dürfen sie deshalb ihre Milch behalten?«
    »Schluß jetzt.« Ein paar andere im Trupp murmelten, aber Chert konnte nicht ausmachen, ob sie ungehalten über Bims' Gerede waren, oder ob sie ihm zustimmten. »Wir haben Arbeit zu verrichten.«
    »Ach ja. Der arme, bedauernswerte, tote Prinz. Hat er in seinem ganzen Leben je einen Fuß in die Funderlingsstadt gesetzt?«
    »Du redest Unsinn, Bims. Was ist in dich gefahren?« Er sah zu Flint hinüber, der den Wortwechsel mit unbewegtem Gesicht verfolgte.
    »Das fragst du mich? Nur weil ich die Großwüchsigen noch nie mochte? Wenn hier jemand etwas erklären muß, dann doch wohl du, Chert. Von uns hat schließlich keiner einen von
denen
in sein Haus aufgenommen.«
    »Geh nach draußen«, befahl Chert dem Jungen. »Geh spielen — oben ist ein Garten.« Ein Friedhof in Wahrheit, aber doch Garten genug.
    »Aber ...!«
    »Keine Widerrede, Junge. Ich muß mit diesen Männern reden, und das ist für dich nur langweilig. Geh nach draußen. Aber bleib in der Nähe des Eingangs.«
    Flint war sichtlich der Meinung, daß er dieses Gespräch alles andere als langweilig finden würde, behielt aber seine Gefühle wie üblich für sich, ging folgsam in die Gruft zurück und die Treppe hinauf. Als er weg war, wandte sich Chert an Bims und den Rest des Trupps.
    »Hat irgend jemand von euch etwas gegen meine Aufsicht einzuwenden? Ich will nämlich keine Männer führen, die grummein und klagen, und ich will auch keine Arbeiten leiten, bei denen ich meinen Leuten nicht vertrauen kann. Bims, du hattest einiges zu sagen. Es gefällt dir nicht, wie ich zu unseren Herren und Gebietern stehe. Das ist dein gutes Recht, will ich meinen — du bist ein freier Mann und Zunftgenosse. Hast du sonst noch etwas über mich zu sagen?«
    Der Jüngere wollte gerade wieder anheben, aber statt seiner ergriff ein älterer Mann, einer der Gips-Vettern, das Wort. »Er spricht nicht für uns übrige, Chert. Wir haben uns, ehrlich gesagt, in letzter Zeit schon ein bißchen zuviel von ihm anhören müssen.« Ein paar andere brummten zustimmend.
    »Feiglinge, alle miteinander«, höhnte Bims. »Ihr schuftet, als wärt ihr in den Bergwerken des Autarchen, schindet euch schier zu Tode und fallt dann noch auf die Knie, um den Großwüchsigen für dieses Privileg zu danken.«
    Chert lächelte sarkastisch. »An dem Tag, an dem ich seh, wie
du
dich schier zu Tode schindest, weiß ich, daß die Welt eine Erzlore ist, die die Räder in die Luft streckt.« Die übrigen Männer lachten, und der gefährliche Moment war vorbei. Ein paar Steinbrocken hatten sich gelöst, aber der große Felsrutsch war ausgeblieben. Trotzdem machte es Chert gar nicht froh, daß gleich am ersten Tag solche Spannungen aufgebrochen waren.
    Vielleicht wollte der alte Hornblende ja einfach nicht mit Bims arbeiten. Könnte doch Grund genug für ein Rückenleiden sein ...
Noch keine

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