Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Stunde seit Tagesanbruch, und schon jetzt tat ihm der Kopf weh. »So, Leute, ganz gleich, wie einige von euch denken mögen, dies sind traurige Zeiten, und wir haben eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Also, an die Arbeit!«

    »Ich kann nicht mehr hier sitzen«, erklärte Barrick plötzlich.
    Briony nahm nur wahr, daß er ihr vor Avin Brone und den anderen Edelleuten in den Rücken fiel. »Was soll das heißen?« flüsterte sie. Ihre Stimme klang wie das scharfe Zischen einer Schlange, und sie spürte förmlich, wie alle Mitglieder des Kronrats sie tadelnd ansahen. »Shaso hat doch noch gar nicht gestanden, Barrick. Es ist ja gar nicht sicher, daß er Kendrick umgebracht hat. Nach all den Jahren bist du dem Mann doch etwas schuldig.«
    Barrick machte eine abwinkende Handbewegung — eine wegwerfende Geste, wie Briony schien, und Zorn stieg in ihr auf. Doch dann bemerkte sie, daß Barrick die Augen geschlossen hatte und sein Gesicht noch bleicher war als sonst. »Nein. Ich ... mir geht es nicht gut«, sagte er.
    Es schnürte ihr die Brust zusammen, der Anblick dieses wächsernen Gesichts, das so erschreckende Ähnlichkeit mit Kendricks blutlos-starrer Maske hatte, aber dieser ganze Morgen war so schrecklich und verwirrend gewesen, daß sie den Verdacht einfach nicht loswurde: Wollte Barrick aus irgendeinem Grund mit dem, was jetzt kam, nichts zu tun haben? Hatten Konnetabel Brone und die anderen schon mit ihm geredet?
    Ihr Bruder erhob sich wankend. Ein Wachsoldat trat hinzu und stützte ihn. »Mach weiter«, sagte Barrick zu ihr. »Muß mich hinlegen.«
    Ein zweiter, noch schrecklicherer Gedanke:
Und wenn er nicht einfach nur krank ist — wenn ihn jemand vergiftet hat?
Wenn sich jemand vorgenommen hatte, sämtliche Eddons zu beseitigen? Von Panik und Entsetzen gepackt, murmelte sie rasch ein Gebet zu Zoria und bat dann pflichtschuldig auch das Trigon um Beistand. Wer sollte so etwas tun? Wer käme auf eine solche Wahnsinnsidee?
    Jemand, der es auf den Thron abgesehen hat
... Sie sah zu Gailon von Gronefeld hinüber, aber der Herzog schien einfach nur besorgt wegen Barricks Schwäche und der Schweißperlen auf seiner Stirn. »Bringt ihn in sein Schlafgemach und laßt Chaven holen«, wies sie den Wachsoldaten an. »Nein, schickt jetzt sofort einen Pagen zu Chaven, damit er bereits in den Gemächern meines Bruders wartet.«
    Als Barrick hinausgeleitet worden war, bemerkte Briony mit einiger Genugtuung, daß ihre eigene Maske noch intakt war — die Maske der Unerschütterlichkeit, die ihr Vater sie in der Öffentlichkeit aufzusetzen gelehrt hatte. In der Mordnacht hatte sie Avin Brone für einen herzlosen Rohling gehalten, aber sie war ihm dankbar dafür, daß er sie an ihre Pflichten erinnert hatte. Sie trug schließlich Verantwortung gegenüber dem Haus Eddon und ihrem Volk: Sie durfte sich ihre Gefühle nie wieder so deutlich anmerken lassen. Aber, ach, es war so schwer, hart und streng zu sein, wenn man solche Angst hatte!
    »Mein Bruder, Prinz Barrick, wird nicht zurückkommen«, erklärte sie. »Also hat es keinen Sinn, unseren Gast noch länger warten zu lassen. Holt ihn herein.«
    »Aber, Hoheit ...!« hob Herzog Gailon an.
    »Was, Gronefeld? Glaubt Ihr, ich habe keinen eigenen Verstand? Haltet Ihr mich für eine Marionette, die nur dann sprechen kann, wenn einer meiner Brüder oder mein Vater da ist, um ihre Fäden zu bedienen? Ich sagte, holt ihn herein.« Sie wandte sich ab.
Zoria, gib mir Kraft,
betete sie.
Wenn du mich je geliebt hast, zeig es mir jetzt. Steh mir bei.
    Das heftige Geflüster der Ratsmitglieder hätte Briony unter normalen Umständen sehr unsicher gemacht — aber die Umstände waren nicht normal und würden es vielleicht nie wieder sein. Gailon Tolly und Tyne, Graf von Wildeklyff, versuchten nicht einmal, ihren Ärger zu verbergen. Diese Männer waren es ganz und gar nicht gewohnt, Befehle von einer Frau entgegenzunehmen, nicht einmal von einer Prinzessin.
    Ich kann es mir nicht leisten, Rücksicht darauf zu nehmen, was sie denken, und ich kann noch nicht einmal so nachsichtig mit ihnen sein wie Vater. Bei ihm halten sie es für eine sonderbare Grille. Mir würden sie es sicher als Schwäche ankreiden ...
    Die Tür ging auf, und der dunkelhäutige Fremde wurde von Soldaten der königlichen Garde hereingeführt. Wachhauptmann Ferras Vansen sah sie wieder gezielt nicht an — noch so ein Mann, der sie für nichtswürdig hielt. Briony hatte noch nicht entschieden, was sie mit Vansen machen

Weitere Kostenlose Bücher