Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
es sein könnte. Das ist deprimierend.« Krause saß mit ihnen in einem Konferenzraum, und sein Gesicht war grau.
»Ist anzunehmen, dass der Sprengstoff immer noch auf dem Lkw ist?« Esser warf einen Kugelschreiber auf die Tischplatte, dass es schepperte. »Das ist, verdammt noch mal, keine Arbeitsvorlage, das ist weniger als das Stochern im Kaffeesatz.«
Svenja und Müller kamen herein. Sie trugen Trainingsanzüge. Sie waren klatschnass aus Rostock zurückgekehrt und hatten den schönen Hubschrauber des Dienstes mit Lehmklumpen von ihren dreckigen Schuhen versaut. Sie setzten sich still dazu.
»Ich stelle mal die Frage«, sagte Dehner gerade, »was denn eine Frau wie Madeleine Wagner an Berlin so hassenswert finden kann, dass es zerstört werden müsste. Sie muss irgendeinen Grund haben, mit diesem C4 hier aufzutauchen. Sie ist böse, das wissen wir, sie ist kreativ und verfügt über die Möglichkeit, eine beinahe unbegrenzte Energie abzurufen. Also, verdammt noch mal, was kann sie tun?«
»Ich würde sagen, dass der Sprengstoff auf dem Lkw nicht unser Problem sein sollte. Wir müssen einfach den Mut haben, das zunächst einmal zu akzeptieren. Wir haben nicht mehr.« Müller fuhr sich durch das feuchte Haar. »Wenn wir anfangen, diese Prämisse zu zerstören, haben wir gar nichts mehr. Die Wagner hat, Thomas zufolge, in Tirana gesagt, sie bringt das Zeug nach Deutschland. Wenn wir jetzt auf die Idee kommen, dass sie den Sprengstoff auch in vier kleine Schnelltransporter verteilen kann, um damit jeweils ein Ministerium in die Luft zu jagen, dann haben wir keine Grundlage mehr, dann können wir genauso gut annehmen, dass jeweils fünfzig Kilo eine Luxusvilla pulverisieren. Ich rate also dringend: Bleiben wir bei tausend Kilo im Block. Was will sie damit kaputtmachen? Liegt irgendwo in Frau Wagners Geschichte die Antwort auf die Frage, was sie denn unbedingt zerstören müsste?«
»Da sehe ich nicht den geringsten Anhaltspunkt.« Sowinski schüttelte den Kopf. »Diese Dame ist unglaublich politikfern. In diesem Berlin hat sie nichts zu suchen, hier kennt sie sich nicht aus, hier ist sie fremd. Das ist auf keinen Fall ihr Spielfeld.«
»Aber ist genau das nicht ein Punkt, der sie reizen könnte?«, fragte Krause schnell.
»Wieso das denn?« Sowinski schien verblüfft. »Sie hat in ihren dreißig Lebensjahren alles Mögliche angerichtet, aber mit Politikern hatte sie niemals etwas am Hut. Das wüssten wir, das hätten wir herausgefunden.«
»Ja«, gab Krause ihm recht. »Das stimmt wohl.«
»Fragen wir weiter!«, drängte Svenja. »Politiker sind es nicht. Sind es vielleicht Geldmenschen? Geld mag sie doch, oder?«
»Wir können davon ausgehen, dass sie genug Geld verdient hat. Sie könnte sicher ein paar Jahrzehnte locker von den Zinsen leben. Truud wird sie gut bezahlt haben.« Thomas Dehner war unruhig, er hatte keine Geduld mehr. »Ich möchte nicht wissen, was ihr Jongen Truud für Afghanistan zahlte, oder für Venezuela oder für Südkorea oder Mogadischu. Vielleicht ist sie auch deswegen hier, aber das steht deutlich an zweiter Stelle. Sie will hier etwas demonstrieren, verdammt noch mal. Sie will akzeptiert und gefragt werden, sie will die Heldin aus der Provinz sein, in der sie so beschissene Erfahrungen machte. Aber wobei will sie die Heldin sein?«
»Ja, ja«, sagte Krause. »Vielleicht haben Sie recht, vielleicht ist es ein Spiel.«
»Ein Spiel mit eintausend Kilogramm C4? Habt ihr den Verstand verloren, Leute?« Esser war wütend, er hatte einen hochroten Kopf.
»Nehmen wir an, es ist ein Spiel.« Krause beugte sich weit über den Tisch und schloss die Augen. »Wie sieht denn ein Spiel mit dieser Frau aus? Sie verkauft sich doch in der Branche als beste Killerin, die die Welt jemals sah. Oder ist das falsch? Sie sagt also: Ich bin die absolut Beste! Und ihr Herausforderer sagt: Aber das Ding in Berlin, das schaffst du nicht! Und sie sagt: Ich mache es, ich beweise es dir!«
»Möglich«, stimmte Müller zu. »Aber was ist das? Will sie der Bundeskanzlerin die Toilette in die Luft jagen? Will sie dem Wirtschaftsminister zu einem Flug in die Stratosphäre verhelfen? Will sie im Reichstag die Kuppel zertrümmern? Was muss sie machen, um das Spiel zu gewinnen?«
»Irgendetwas, was ihr keiner zutraut«, sagte Krause. »So einfach ist das.« Dann grinste er süffisant. »Ich weiß, ich bin ein Spielverderber.«
Gillian kam über Lautsprecher: »Ich habe neuen Kaffee, und ich habe neue
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