Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
sein?«
»Eine sehr mächtige Frau. Ich dachte, Sie kennen sie. Falls nicht, umso besser. Würden Sie um Müllers willen sämtliche Regeln brechen?«
»Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Was bedeutet das überhaupt: sämtliche Regeln brechen?«
»Das bedeutet schlicht, dass Sie sich auf die Socken machen, nicht nach links und rechts schauen und ihn einfach suchen. Und falls Ihnen dabei jemand im Weg steht, wird er beiseitegeräumt. Praktisch heißt das, dass Sie sich unserer Kontrolle vollkommen entziehen.«
Sie wurde ungehalten. »Worüber reden wir hier eigentlich?«
»Über die Liebe natürlich. Worüber sonst?«, entgegnete er mit einem sehr väterlichen Lächeln. »Und über Ihre gegenwärtigen Schwierigkeiten mit dieser Liebe.«
»Da gibt es keine Schwierigkeiten«, stellte sie schroff fest.
»Können wir morgen früh darüber reden?«
»Das können wir, wenn es sein muss.«,
»Glauben Sie, dass Sie schlafen können?«, fragte er.
»Wohl kaum. Wie sollte das funktionieren?«
»Kann ich verstehen. Versuchen Sie es trotzdem. Ich verschwinde dann mal wieder, und wir sprechen morgen in Ruhe miteinander.«
»Ja, in Ordnung.«
Esser trank seinen Whisky aus, stand dann auf, nahm sie fest an den Oberarmen und schaute sie an. »Glauben Sie mir, ich kann Sie verstehen. Wir alle können Sie gut verstehen. Und wir verlassen uns dabei nicht auf das, was in den Regeln unseres Dienstes steht. Gute Nacht.« Er ließ sie los und marschierte zur Wohnungstür, die er kurz darauf leise hinter sich zuzog.
»Ach Gott«, murmelte sie. »So viel gottverdammtes Verständnis.« Sie hatte Tränen in den Augen und wischte sie zornig weg.
Einige Minuten später meldete sich Mona.
»Hör zu, Schätzchen. Danke für das Geld. Ich habe hier eine Möglichkeit für dich. Du fährst jetzt raus zum Flughafen. Dort zeigst du den Wachen auf der Cargo-Seite deinen Diplomatenpass. Gib mir die Nummer mal durch.«
Svenja diktierte ihr die Nummer.
»Okay. Dann sagst du, du willst mit der Cargo von DHL ausfliegen, die rausgeht nach Stuttgart. Die Besatzung weiß deinen Namen, sie nehmen dich mit. Falls du keinen Sessel findest, musst du eben auf Paketen schlafen. Es gibt keine Uhrzeit, die Maschine geht raus, wenn der Tower sie aufruft. Hast du das bis hier verstanden?«
»Habe ich. Vielen Dank.«
»Gut. Die Maschine wird in Stuttgart landen. Die genaue Uhrzeit steht nicht fest, ist aber auch egal. In Stuttgart bleibst du im Frachtbereich. Gegen sechs Uhr am Morgen geht eine weiße, kleine Düsenschönheit mit Ziel Tripolis raus. Der Mann, der sie fliegt, heißt Robert. Merk dir den Namen, du brauchst sein Wohlwollen. Zeig ihm den Diplomatenpass und versichere ihm, du wirst keine Schwierigkeiten machen, dann hat er einen Platz für dich. Und du wirst kostbare Mitreisende haben: sechzehn Bohrköpfe für die Erdöljungs im Wert von etwa zwanzig Millionen Euro. Alles klar?«
»Danke«, sagte Svenja. »Vielen Dank.«
SECHSTES KAPITEL
Dehner starrte den Mann an, der neben ihm schlief. Dann tastete er nach dem Hörer und meldete sich: »Ja, bitte?«
»Tut mir leid, die Welt geht gerade unter«, sagte Sowinski. »Es geht nicht anders. Komm rein. Pack eine Tasche für etwa vier, fünf Tage. Du fliegst nach Tripolis, du gehst raus mit der Maschine nach Rom. Dann weiter mit einem UNO -Flieger, der gegen Mittag Richtung Libyen startet. Alles klar?«
»Alles klar«, sagte Dehner.
Er bewegte sich vorsichtig, um den Mann neben sich nicht zu stören. Der sah irgendwie rührend aus, wie ein vollkommen sorglos schlafendes Kind.
Er beeilte sich. Als er fertig war, schrieb er eine Notiz und legte sie auf den Tisch im Wohnzimmer. Bin gerufen worden, werde etwa vier bis sechs Tage fort sein. Hier der Wagenschlüssel, damit du nicht so angebunden bist. Ich versuche, mich von unterwegs zu melden. Und: danke!
Er bestellte sich ein Taxi und wartete unten vor dem Haus, bis der Wagen kam. Eine halbe Stunde später war er im Dienst, und er fühlte sich ausgeruht und fit.
Sowinski empfing ihn mit den Worten: »Es ist keineswegs Routine, es kann verdammt heikel werden. Es ist ein XXL . Wir haben Karl Müller verloren.«
»Wie konnte das denn passieren?«
»Wir wissen es nicht genau, plötzlich war er von der Leine, etwa nachmittags halb fünf Ortszeit. Ich habe einen Stadtplan. Hier im Zentrum ist sein Hotel, hier oben siehst du den Bereich von Gaddafi, also seinen Palast. Da war Müller am Morgen. Nachmittags gegen vier Uhr Ortszeit wollte er
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