Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
Dehner.«
»Genauso ist es. Versprichst du mir, keinen Blödsinn zu machen?«
»Das verspreche ich«, sagte sie.
Die laufende öffentliche Berichterstattung über die Kriegshandlungen in Libyen beschränkte sich vorwiegend auf Bilder von auf Pick-ups montierten uralten Raketenwerfern und jungen, unrasierten Kriegern mit müden Augen. Abseits davon herrschte ganz im Stillen ein äußerst reger Verkehr auf allen nur denkbaren Flughäfen. Einige davon waren so winzig, dass sie nicht einmal einen Tower hatten und zwei-, dreimal angeflogen werden mussten, ehe die Besatzung sicher war, dass es sich wirklich um ein Flugfeld handelte und dass der einsame, winkende Mann da unten im Sand tatsächlich ein Walkie-Talkie an den Mund hielt und die Landung freigab, obwohl ihn groteskerweise niemand hören konnte.
Das Einzige, was es zu regeln galt, war die strikte Trennung der Absichten: Die Bomber und Jets der NATO flogen grundsätzlich zu anderen Tageszeiten als zivile Maschinen. Und um jedes Risiko zu vermeiden, gab die NATO sicherheitshalber über ausgewählte »Good People« genau bekannt, wann sie dran war und wann die anderen. Das Wissen um diese möglichen Verbindungen in einem Krisenherd gehörte zum Standard aller im Ausland operierenden Agenten, gleichgültig, woher sie stammten und für wen sie unterwegs waren. Und in der Regel war dieses Wissen lebenswichtig für all diejenigen, die unter allen Umständen aus der Krisenregion flüchten mussten. Sie fürchteten zu Recht um ihr Leben, weil sie unter Umständen jahrelang gegen die herrschenden Kreise agiert oder sie ausspioniert hatten.
Svenja aber wollte mitten hinein in das Chaos, und sie wäre auch in eine einmotorige Cessna gestiegen, die von Flugfeld zu Flugfeld hoppelte und alle naslang auftanken musste, solange sie nur Tripolis als Ziel hatte.
Sie versuchte es erneut bei Gerrit. Kein Erfolg. Vielleicht gab es ihn gar nicht mehr. Sie hoffte also auf Mona.
Als es an der Tür klingelte, war ihr erster Impuls, nicht zu reagieren. Dann wurde ihr bewusst, dass jeder Besucher von draußen sehen konnte, dass das Licht in ihrer Wohnung brannte, also war es unklug, sich völlig zu verweigern. Sie ging in den Flur und fragte: »Ja, bitte?« in die Gegensprechanlage.
»Ich bin es«, sagte Esser. »Kann ich kurz raufkommen?«
»Aber ja.«
Sie ging ins Schlafzimmer, schob die gepackte Tasche hinter das Bett und löschte das Licht. Wahrscheinlich würde es schwierig werden.
Esser hatte einmal eine Andeutung gemacht, dass der Dienst jeden Versuch eines privaten Lebens von vornherein vereitelte. »Wir sind alle Verrückte«, hatte er bemerkt. »Wir sind für dieses Gemeinwesen unterwegs, das uns nicht kennt und keine Ahnung hat, was wir so treiben. Es ist ein Vierundzwanzigstundenjob. Also sollten wir nicht so tun, als hätten wir noch viele andere Möglichkeiten.«
Er sah müde aus, todmüde. Aber er lächelte.
»Ich will verhindern, dass Sie nach Tripolis reisen.«
»Das ist eine ehrenwerte Aufgabe«, sagte sie. »Kommen Sie herein. Mögen Sie einen Whisky? Eiskalt? Mit Eis, ohne Eis?«
»Normale Zimmertemperatur, ohne Eis, wenn es geht«, sagte er.
»Das ist machbar«, sagte sie. »Setzen Sie sich doch.«
Er hockte sich in einen der blauen Ledersessel. »Mein Gott, bin ich müde.«
»Das bin ich auch«, sagte sie und entkorkte die Flasche, um ihm den Whisky einzugießen. »Alle Welt glaubt, ich will nach Tripolis.«
Er lächelte. »Ich auch.«
»Warum denn eigentlich?«, fragte sie. »Mein Müller ist in Schwierigkeiten, aber kein Mensch weiß, wo er steckt. Wir müssten eine Kompanie KSK -Leute schicken, um ihn überhaupt ausfindig zu machen. Also, was sollte ich in Tripolis?«
»Ihn finden und raushauen«, sagte er. »Da sind Sie die absolute Spezialistin, oder wollen Sie das etwa abstreiten?«
»Nein«, erwiderte sie. »Das ist wohl so.«
Er trank einen kleinen Schluck. »Wir machen uns Sorgen. Sie haben etwas erfahren, was Sie mit Rücksicht auf sich selbst nicht wissen sollten. So etwas passiert. Ihr Müller ist verschwunden, also machen Sie sich auf, dorthin, wo er sich wahrscheinlich aufhält. Das erscheint mir vollkommen logisch.«
»Das ist wohl auch logisch«, stimmte sie Esser zu. »Nur komme ich aus dieser Stadt nicht raus, es wird immer später, und es gibt keinen Weg nach Tripolis. Ich weiß zumindest keinen.«
»Sie sind zäh, Sie suchen und finden. Ich kenne Sie besser als Sie sich selbst. Kennen Sie Mona?«
»Nein. Wer soll das
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