Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die große Volksverarsche

Die große Volksverarsche

Titel: Die große Volksverarsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Jaenicke
Vom Netzwerk:
Medikamentenmissbrauch und eine so hohe Tablettenabhängigkeit wie in den USA. Prominente Beispiele der letzten Zeit: Michael Jackson, Heath Ledger, Demi Moore. Von den geschätzten 30 Millionen (zehn Prozent) Amerikanern, die regelmäßig Psychopharmaka einnehmen, hört man meistens erst, wenn sie in Schulen oder Kinos ein Massaker verübt haben.
    Sollten wir diese Liberalisierung des Pharmamarktes nach US-Vorbild wirklich kopieren?

    Was gute Lobbyarbeit im Sinne der Pharmakonzerne noch zustande bringt, offenbart der Pharmakritiker Schönhöfer mit einem Satz: »Die heute zugelassenen Arzneimittel sind viel gefährlicher als vor zwanzig Jahren, weil die Hürden für die Zulassung von Präparaten unter dem Einfluss der Lobby immer niedriger wurden.« 68 Beliebte Partner der Pharmalobby sind übrigens nicht nur Entscheidungsträger in der Politik, sondern auch die Patientenverbände und Selbsthilfegruppen. Je medikamentenintensiver die Therapie, desto größer das Engagement der Arzneimittelhersteller für die Belange der jeweiligen Fachgesellschaften. Am besten, man besetzt den Stuhl des Vorsitzenden dann auch gleich mit einem Pharmagetreuen. Im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie: Dr. med. G. Müller-Schwefe (Peter Schönhöfer: »Der hat, soviel ich weiß, häufig sehr fragwürdige Arzneimittel als Schmerzmittel propagiert.«); im Vorstand der Deutschen Schmerzliga: Harry Kletzko, Ex-Manager des Schmerzmittelherstellers Mundipharma; bis vor Kurzem Vorsitzender des Deutschen Diabetiker Bundes: Heinz Windisch, ehemaliger Pharmavertreter der Firma Abbott ... Klar ist: Die unmittelbare Nähe zu den Patienten erspart den Pharmakonzernen kostenaufwendige Werbemaßnahmen. Eine als »Informationsveranstaltung« getarnte Produktpräsentation ist zudem um einiges effektiver als jeder TV-Spot. Schließlich sind Patienten, die sich gehört fühlen, besonders dankbar. Diese Erscheinungsform der Mischmit-Masche ist deshalb extrem mies, weil hier menschliches Interesse an den Patienten geheuchelt, ihre Not von den Pharmafirmen jedoch nur schamlos zum Geschäftemachen benutzt wird, um sich selbst zu bereichern.

    Und wenn die Mischmit-Masche mal nicht zieht? Dann ist manch ein Branchenriese gierig genug, einen anderen Umsatzweg ausfindig zu machen. Beispiel Boehringer Ingelheim Pharma GmbH &
Co. KG: Das deutsche Familienunternehmen ist ein Megaplayer in der Branche und schmückt sich mit seiner sozialen Haltung: »Die ethischen Prinzipien, denen sich Boehringer Ingelheim seit 125 Jahren verpflichtet fühlt, haben eine Kultur der unternehmerischen und sozialen Verantwortung geschaffen. Soziales und gesellschaftliches Engagement haben für Boehringer Ingelheim viele Facetten und sind fest in unserer Unternehmensphilosophie verankert.« 69
    Wie facettenreich das soziale Engagement von Boehringer Ingelheim tatsächlich ist, zeigt der Buscopan-Composto-Skandal. Dieses Medikament wurde in Deutschland schon 1987 verboten, weil es den stark schmerzlindernden, aufgrund seiner gefährlichen Nebenwirkungen aber ebenso stark umstrittenen Wirkstoff Metamizol enthält. Trotz des Verbots von Buscopan Compositum in Deutschland hat Boehringer Ingelheim offenbar keine ethischen Hemmungen, Buscopan Composto in Brasilien weiterhin zu verkaufen, obwohl es auch dort nach der Vergabe immer wieder zu lebensbedrohlichen Zwischenfällen kommt. Boehringer Ingelheim wirbt in Brasilien sogar weiter für sein rezeptfrei erhältliches Medikament: »Bei Magenschmerzen und Krämpfen. Oder wenn man sich mal nicht so wohl fühlt. Dafür gibt es Buscopan Composto.« Bei uns sind die Anwendungsgebiete Magenschmerzen und Magenkrämpfe für Metamizol wegen hoher Risiken verboten. Gewinn geht eben doch vor Gewissen ...
    Die Generika 70 -Masche
    »Nur wer in allen Marktsegmenten [Discount, Markengenerika, Spezialpräparate] eine Führungsrolle spielt, kann auf Dauer im deutschen Markt präsent sein«, so der Vorstandssprecher der
HEXAL AG, die zur Sandoz-Gruppe gehört, die wiederum ein Unternehmensbereich des Pharmakonzerns Novartis ist. Novartis Pharma präsentiert die hochpreisigen, weil patentierten Erstanbieterpräparate, während sich Hexal und die Discount-Linie 1 A Pharma auf dem Generikamarkt breitmachen. Aber auch andere börsennotierte Pharmariesen wie Daiichi Sankyo und Pfizer kaufen weltweit Vertriebsrechte für zig generische Medikamente ein und sehen zu, dass sie der drohenden Umsatzeinbuße nach Auslaufen eines Patents begegnen,

Weitere Kostenlose Bücher