Die große Volksverarsche
indem sie sogenannte Original- oder auch Auto-Generika auf den Markt bringen. Das sind 1:1 die hauseigenen Präparate, werden aber unter neuem Namen, in neuer Verpackung und Darreichungsform preiswerter angeboten. Beispiel: Pfizers Cholesterinhemmer Atorvastin gehört zu den Weltbestsellern unter den Medikamenten und insofern zu den kostbarsten Pferden im Pfizer-Stall. Als das Patent im Mai 2012 auslief, präsentierte Pfizer prompt seine Auto-Generika Atorva und Liprimar (für den Export) ... Weltweit führend auf dem Generika-Markt aber ist der israelische Konzern TEVA mit einem Jahresumsatz von rund zehn Milliarden Euro, und zwar nicht erst seit der Übernahme der deutschen Generika-Firma ratiopharm. Denn zu TEVA gehören auch die Generika-Marken CT Arzneimittel und AbZ Pharma. Jetzt ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch das letzte unabhängige Generika-Unternehmen Deutschlands, die STADA AG, von einem Pharmariesen geschluckt wird, um mit dessen Produktportfolio fehlende Wirkstoff-Innovationen und auslaufende Patente wettzumachen. Doch erst einmal haben sich jüngst zwei Generika-Giganten zusammengetan: Für 4,5 Milliarden Euro hat das US-Unternehmen Watson den Schweizer Arzneimittelhersteller Actavis übernommen und sich aus marktstrategischen Gründen gleich selbst in Actavis umgetauft. Das wird den Sanierer von Actavis, den Exratiopharm-Chef
und Deutsche-Bank-Berater Claudio Albrecht, besonders gefreut haben. Zumal er der Deutschen Bank, dem größten Gläubiger von Actavis, mit diesem Deal auf einen Schlag 290 Millionen Euro Eigenkapital verschafft hat. Der Markt für kopierte Medikamente, so Albrecht, sei aggressiv, es gehe um Kampf und blitzartiges Reagieren. »Es ist wie in der Formel 1 und ständig Dampf im Kessel; das fasziniert mich.« 71
Unter den großen Pharmakonzernen, die den internationalen Generikamarkt bestimmen, ist inzwischen ein harter Kopierkampf um biotechnologische Arzneien entbrannt, da diese preislich zu den umsatzstärksten Arzneien gehören. Biologika, ebenso wie ihre biotechnologisch erzeugten Nachahmer, die Biosimilars (im Volksmund Biogenerika) sollen gezielt in den Körper eingreifen und werden daher vor allem in profitablen Langzeittherapien, zum Beispiel bei Krebs- und Immunerkrankungen, Rheuma und Diabetes eingesetzt. Ein Milliardenmarkt also; denn was kann den Pharmaunternehmen Besseres passieren als ein hoher Bedarf an hochpreisigen Medikamenten ...
KONSUMENTEN-NAVI
Generikahersteller erhalten nach Patentablauf einen gesetzlichen Zugang zu den Daten des Originalherstellers, damit sie keine experimentellen Untersuchungen wiederholen müssen. Das gilt für Daten klinischer Studien am Menschen ebenso wie für Tierversuche. Insofern tragen Generika dazu bei, Wiederholungsuntersuchungen effektiv zu vermeiden.
Aus dem Nähkästchen: Bei einer Pressekonferenz, die Ende 2012 anlässlich eines eher mittelmäßigen TV-Films in Hamburg stattfand, fragte mich eine Journalistin, was denn meine nächsten Projekte seien. Ich erzählte ihr von diesem Buchprojekt und erhielt wenige Wochen später eine E-Mail, für die sich der mittelmäßige Film und dessen unvermeidliche Promotion mehr als gelohnt haben:
EXKURS:
Die Beagles von Barsbüttel
Wie der Kampf gegen einen Pharma-Riesen zum persönlichen Kampf gegen Windmühlen wurde
Da stand ich nun, mit dem Megafon in der Hand, und wusste gar nicht, wie man so ein Ding bedient. Prompt heulte die »Flüstertüte« laut wie eine Sirene los und stellte mich als Demo-Greenhorn bloß. Egal. Wir hatten schließlich ein Ziel: Jenen Gehör zu verschaffen, die selber nicht für ihre Rechte eintreten können. Es ging um das Schicksal von geschätzten 2000 Tieren pro Jahr, Minischweinen, Kaninchen, Mäusen, Ratten und 800 Beagles, die jedes Jahr in dem Tierversuchslabor Barsbüttel-Willinghusen ihr Leben lassen sollten. Angeblich im Dienste der Wissenschaft, jedoch vor allem zum Profit der Pharmaindustrie. Als Journalistin war ich zufällig auf eine Geschichte gestoßen, die mich seitdem nicht mehr losgelassen hatte. Eine Lkw-Ladung mit Beagles war an der Grenze zu Italien vom deutschen Zoll wegen miserabler Transportbedingungen beschlagnahmt worden. Die Hunde sollten in eine der größten Tierversuchsanstalten Deutschlands gehen, in das verschlafene Dorf Willinghusen vor den Toren Hamburgs. Ich wohne zwar nur rund 30 Kilometer von diesem Ortsteil der Gemeinde Barsbüttel entfernt, hatte aber noch nie von einer dortigen Tierversuchsanlage
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