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Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Titel: Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Torday
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schweifen. Im Wald war alles gedämpft und irgendwie weichgezeichnet, aber hier in der offenen Landschaft ist das Licht so blendend hell, sind die Konturen so scharf, dass meine Augen brennen. Wir können nicht mehr zurück, so viel steht fest. Andererseits …
    * Du weißt nicht, wovon du sprichst* , sage ich zum Hirsch. *Da draußen warten andere Menschen. Menschen, die dich jagen werden, dich töten wollen. Sie schicken Patrouillen. Sie schießen auf alles, was sich bewegt .*
    Keuler. Ehemalige Soldaten, die ausgesandt wurden, als das Virus gerade ausgebrochen war. Sie sollten die Seuche eindämmen und infizierte Herden und Rudel abschlachten. Als das nicht funktionierte, änderte man ihren Auftrag. Sie sollten auf alles feuern, was sich bewegt, alles Nicht-Menschliche ausmerzen. Und das taten sie auch.
    Ich springe vom Rücken des Hirschs. * Bleib du bei deinem Letzten Wild und lass mich gehen. Ich mache mich alleine auf den Weg in meine Stadt, um das Heilmittel zu beschaffen .*
    Wobei ich allerdings keinen blassen Schimmer habe, wie ich hinkommen soll.
    Der Hirsch lässt sich mit der Antwort Zeit. Er streckt den langen Hals und starrt gedankenverloren in die Ferne. Ich weiß nicht, was er dort sieht. Vor uns liegt nichts als endlose Weite – eine einsame Moorlandschaft, die sich bis zum Horizont erstreckt, wo sich durch bläuliche Nebel die Umrisse eines Gebirgszugs abzeichnen. So weit draußen war ich noch nie.
    Aber der Hirsch scheint etwas anderes zu sehen, etwas, das in der Ferne seiner Gedanken liegt.
    * Die Große Weite* , sagt er schließlich. * Auf dem Weg hierher haben wir so viele Tiere verloren. Manche starben an der Seuche, andere durch die Hand der Menschen, von denen du gesprochen hast. Zu ihrem Gedenken habe ich ein Versprechen abgelegt – ich habe geschworen, diejenigen, die diese Reise überleben, bis zum letzten Atemzug zu beschützen .*
    Er dreht sich um und blickt mich an. * Und wenn das heißt, dass ich dich ins Herz des Menschenlands tragen muss, dann sei es .*
    Die Tauben tanzen in heller Aufregung am Himmel und der General klettert aus meiner Jackentasche und schwingt sich auf das Geweih des Hirschs.
    * Das ist die richtige Einstellung, Hirsch!* , zirpt er. * Zeig, was du wirklich bist – Hirsch oder Maus!*
    Der Hirsch schnaubt gereizt und wirft den Kopf zur Seite, um den General abzuschütteln, aber der klammert sich fest.
    Sie begreifen beide nicht, worum es geht. Ich unternehme einen letzten Versuch.
    * Hör zu, Hirsch. Wir sind in der Quarantäne-Zone, und das ist gefährlich. Nicht einmal ich dürfte hier sein. Ich weiß, ich habe einen langen Weg vor mir – aber ich bin klein, ich kann mich verstecken, ich werde Hilfe finden …*
    * Ich habe ein Versprechen abgelegt* , sagt der Hirsch schroff und senkt das Geweih.
    Das will ich nicht zu spüren bekommen, daher klettere ich folgsam auf seinen Rücken.
    Der General stößt einen Jubelruf aus und krabbelt bis an die Geweihspitze. Dabei brüllt er so dröhnend laut, dass die Tauben beinahe vom Himmel purzeln.
    * So sei es denn – möge die Reise beginnen!*
    * Also* , sagt der Hirsch, und sein Tonfall ist jetzt sanfter. * Wo liegt denn deine berühmte Stadt?*
    Wieder einmal weiß ich keine Antwort auf seine Frage. Ich habe keinen blassen Schimmer, wo wir überhaupt sind. Aber diesmal werde ich nicht denselben Fehler begehen wie im Ring des Waldes und einfach drauflosraten. Ich rufe mir ins Gedächtnis, wo wir gewohnt haben und was Pa mir beigebracht hat – bevor man mich von zu Hause wegholte.
    * Ganz am Rand der Landkarte, im Süden. Denke ich jedenfalls .*
    *Könnt ihr uns nach Süden führen, Vögel?* , fragt der Hirsch die Tauben.
    Ich bezweifle, dass das so einfach funktioniert.
    Aber sie gurren: * Das können wir!*, und schon steigen sie in die Höhe und fliegen übers Moor. Das heißt, die Grauen Tauben fliegen über das Moor. Nicht so Weiße Taube, die sich in die Luft schwingt und stattdessen in den Wald zurückflattert.
    Sie bemerkt ihren Fehler, legt mitten in der Luft eine Kehrtwende hin und jagt aufgeregt hinter den anderen her. Dabei grummelt sie leise vor sich hin. * Wenn ihr Norden sagt, fliege ich nach Norden, wenn ihr Süden sagt, fliege ich …*
    *… nach Norden?* , schlägt der Hirsch vor, als der kleine Vogel über seinen Kopf hinwegsaust.
    Ich vergrabe meine Finger tief in seinem Nackenfell, und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, trottet er los. Einfach so.
    Die Tauben scheinen instinktiv zu wissen, wo es

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