Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Titel: Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Torday
Vom Netzwerk:
draußen*, zwitschern sie aufgeregt. * Wir haben einen Weg aus dem Wald ins Freie gefunden .*
    *Der Weg ist im Freien! *, sagt Weiße Taube, die hinter den anderen eintrudelt. *Wir haben draußen einen Wald gefunden!*
    Sie haben sich also nicht einfach aus dem Staub gemacht. Sie haben Ausschau gehalten.
    Und dann geht alles ganz schnell. Mit einem markerschütternden Knurren stürzt sich der Graue Wolf auf uns. Der Hirsch senkt den Kopf und setzt ebenfalls zum Sprung an. Mit einem grässlichen Krachen prallen wir mitten in der Bewegung aufeinander. Der Wolf jault auf, als sich das Hirschgeweih in seine Flanke bohrt. Er kann sich nicht mehr halten, taumelt über den Grat – und stürzt in die Tiefe. Hellrotes Blut spritzt über den weißen Fels.
    Der Hirsch hält nicht eine Sekunde inne. Er springt erneut, setzt in hohem Bogen über die Köpfe der anderen Wölfe hinweg und galoppiert in den Wald. Ich drehe mich auf seinem Rücken um und werfe einen letzten Blick zurück. Das Wolfsjunge steht mit eingezogenem Schwanz an der Felskante und starrt in die Schlucht.
    * Uns nach, uns nach* , gurren die Tauben.
    Der Hirsch stolpert kein einziges Mal, wird nie müde, sondern rennt weiter und weiter, seine Atemzüge sind laut und kräftig. Die Tauben weisen uns den Weg, von Zeit zu Zeit blicken sie zurück, um sicherzugehen, dass wir ihnen noch folgen. Aber auch die Wölfe geben nicht auf, sie keuchen und hecheln vor Anstrengung, aber sie bleiben uns dicht auf den Fersen.
    *Wetten, dass die Tauben uns über tausend Umwege führen? *, grummelt der General in meiner Tasche.
    Das Licht ändert sich allmählich, aus dem grauen Schimmern wird ein weißes Strahlen. Frische, kalte Luft schlägt uns entgegen. Der Wald lichtet sich, die letzten Bäume liegen vor uns. Aber gleichzeitig spüre ich, wie der Hirsch immer langsamer wird, sein Rücken und seine Flanken sind schweißnass, sein Herz hämmert wie eine Dampfmaschine. Mit einem letzten weiten Satz springen wir aus dem Wald heraus, mitten durch ein Loch in einem Drahtzaun …
    Und stehen plötzlich am Rand eines Moors.
    Der Hirsch hält inne und ringt nach Luft.
    * Und was ist mit den Wächtern?* Ich fürchte, wir werden doch noch als Abendessen für die Wölfe enden.
    * Sieh sie dir an* , stößt er zwischen zwei keuchenden Atemzügen hervor.
    Ich drehe mich um.
    Die Wölfe stehen am Waldrand, nur wenige Schritte von uns entfernt, und heulen den Himmel an. Sie schlagen mit den Pfoten auf den Boden und wirbeln Erdbrocken auf – aber sie verfolgen uns nicht.
    *Aber, warum …?*
    * Sie sind die Wächter – Tiere, die einen Eid geschworen haben, das Wild vor Eindringlingen zu bewahren. Solange die anderen noch leben, dürfen sie den Ring des Waldes nicht verlassen .*
    Ich beobachte die Wölfe, wie sie hechelnd und mit blitzenden grünen Augen warten. Das Wolfsjunge ist auch da, es steht zwischen den älteren. Es sucht meinen Blick, aber ich schaue weg. Ich werde mich wegen des Grauen Wolfes nicht schuldig fühlen. Er wollte mich schließlich töten.
    Ich betrachte von außen den Ring des Waldes zum ersten Mal bewusst.
    Die Wölfe stehen an einem verrosteten Drahtzaun, der sich am Waldrand entlang bis zum Horizont zieht. Er ist so hoch wie die Baumwipfel. An den sich in gleichmäßigen Abständen reihenden Betonpfeilern sind weiße Holzschilder befestigt, auf die jemand rote Buchstaben gepinselt hat.
    Etwa die Hälfte der Schilder ist von Wind und Regen verwittert, manche wurden regelrecht weggeblasen. Aber es sind noch genug übrig, um ein paar Wörter zu entziffern.
    ARNUNG
SCHIES PL TZ
BETR T N VER OT N
    Irgendwie bezweifle ich, dass allein die Wächter der Grund sind, warum die Menschen sich vom Ring des Waldes fernhalten.
    * Und du glaubst nicht, dass sie dich, als ihre Große Wildnis, wieder in ihre Reihen aufnehmen werden?*
    Die Wölfe sind inzwischen spurlos verschwunden, wir sind wieder allein. Die schwarzen Baumschatten kriechen wie Klauen über den Boden.
    * Jetzt gibt es kein Zurück mehr* , sagt der Hirsch. *Die Wölfe würden mich in Stücke reißen. Du musst uns alle zu deinem Vater und seiner Magie führen .* Und dann fügt er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet, hinzu: * Wir müssen allein weitermachen. Wir müssen unser eigenes Letztes Wild werden, um die zu retten, die wir zurückgelassen haben .* Er gräbt seine Hufe tiefer in den Boden. * Sie müssen gerettet werden .*

Kapitel 13
    Ich schirme die Augen ab und lasse den Blick über die Moorlandschaft

Weitere Kostenlose Bücher