Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)
Hände in die Hüften gestemmt dreht sie sich flink um und starrt den kleinen Wolf an. »Aber zuerst muss ich mich von etwas anderem überzeugen, wenn es euch nichts ausmacht.«
Bevor Kleiner Wolf weiß, wie ihm geschieht, ist sie schon bei ihm, packt ihn von hinten und presst seinen Kopf fest zwischen ihre Beine, damit er nicht nach ihr schnappen kann. Er zappelt, aber sie hält ihn eisern fest. Mit der anderen Hand holt sie eine kleine silberne Taschenlampe aus der Hosentasche und leuchtet ihm damit in die Augen. Es stört sie nicht, dass er aufjault, in aller Seelenruhe leuchtet sie mit der Lampe erst in das eine Auge, dann in das andere, ehe sie ihn mit einem Plumps wieder zu Boden fallen lässt.
»Du bist so weit in Ordnung«, sagt sie.
Er schüttelt sich heftig. Sein gesträubtes Fell sieht aus, als habe er sich mit einer elektrischen Ladung gegen sie wappnen wollen. * Ich lasse das nur mit mir machen, weil du die Große Wildnis bist. Sonst hätte ich ihr schon längst die Kehle durchgebissen .*
Die Frau lächelt mich an. »Oh, mir macht sein Gekläffe nichts aus. Es gab Zeiten, da hätte ich ihn einfach abgeknallt.«
Sie tut so, als lege sie aus der Armbeuge ein unsichtbares Gewehr an, hebt es an die Schulter, zielt damit direkt auf den kleinen Wolf und drückt einen unsichtbaren Abzug. Sein Knurren erstirbt zu einem Wimmern, aber er rührt sich nicht von der Stelle. Mit zusammengekniffenen Augen zielt sie mit ihrem unsichtbaren Gewehr auf die Tauben, die auf dem Boden sitzen, aber auch sie rühren sich nicht vom Fleck. Mutter nutzt die Gelegenheit, und noch bevor die Vögel merken, was sie vorhat, steht sie mitten unter ihnen und leuchtet mit der Lampe in ihre Augen, immer eines nach dem anderen, wie ein Fachmann. Genauso hätte Pa es auch gemacht.
»Nicht schlecht, gar nicht schlecht«, sagt sie. »Gesunde, fette Vögel hast du da mitgebracht, mein Junge.«
* Und was für ein gesunder, fetter Vogel bist du?* , sagt Weiße Taube leise.
»Man kann nie vorsichtig genug sein«, erklärt Mutter und steckt die Taschenlampe wieder ein. »Ich habe wegen dieser dreckigen Krankheit alles verloren – meine besten Tiere, meine preisgekrönten Herden, die Früchte, die ich auf dem Feld verrotten lassen musste – einfach alles.«
Sie drückt auf ein kleines schwarzes Kästchen, das sie wie aus dem Nichts in der Hand hält. Knackend und brummend fährt der hintere Teil des Mähndrischers herunter und wird zu einer breiten Laderampe.
»Na schön, dann hüpft mal alle rein, ehe einer von diesen verdammten Keulern uns sieht.«
Während Mutter draußen an der Maschine herumklopft und hämmert und das kaputte Kabel repariert, drängen wir uns in die Höhle aus Metall. Der Hirsch kommt sofort aus der Dunkelheit auf mich zu, der General hockt plötzlich auf meiner Schulter, die Tauben drängeln sich um uns, flattern hin und her und schlagen mir die Flügel ins Gesicht, sodass ich sie wegjagen muss.
Aber ich suche jemand anderen.
Hier drinnen ist es geräumig, nur die Luft ist schlecht. Durch die Ritzen fällt Licht herein und wirft zackige und geschwungene Schatten; sie stammen von verschiedenen kleineren Gerätschaften, die an der Wand hängen und mit Ketten befestigt sind. Und darunter, die Füße auf einen Stapel alter Säcke gestreckt – sitzt Polly. Sie strahlt übers ganze Gesicht.
»Hab ich’s dir nicht gesagt, es gibt auch noch andere Menschen, die helfen«, ruft sie. »Die Frau hat uns gefunden und mich dann auf den Rücken des Hirschs gesetzt, und ich habe ihr alles erzählt, und sie ist auf unserer Seite, Kidnapper, und –«
Ich will gerade zu ihr gehen, als aus einer Ecke ein lautes Klappern ertönt und die Tauben schlagartig auffliegen.
Mein erster Gedanke ist, dass der Mähndrischer wieder läuft. Egal was die Maus angestellt hat, Mutter hat ihn repariert, denn mit einem lauten Rumpeln setzt sich die Maschine wieder in Bewegung und holpert über das Feld. Aber das Klappern hört nicht auf, sondern wird lauter, es hört sich an, als schlüge jemand gegen Metall, um ins Innere zu gelangen. Kleiner Wolf antwortet mit einem leisen und anhaltenden Knurren – bis mit einem leisen Plopp! ein kleines, in eine Staubwolke gehülltes rotbraunes Fellknäuel aus einer Röhre hervorschießt und hustend über den Boden kullert.
Die Maus rappelt sich auf und niest heftig, und als sie merkt, dass alle Blicke auf ihr ruhen, richtet sie sich auf und dreht auf einer Pfote eine Pirouette. Zuerst in die eine
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