Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)
Tasche und wir machen uns unverzüglich auf den Rückweg. Aber auch der ist beschwerlich.
Während wir uns langsam durch Pfützen und Schilf vorankämpfen, ändert sich die Farbe des Himmels allmählich. Und als wir endlich das Ufer erklimmen und durch die dichten Farne steigen, um wieder zur Straße der Fische zu gelangen, sehe ich die langen Schatten, die die Bäume jetzt auf das Wasser werfen, und mir wird klar, dass wir beinahe einen ganzen Tag lang unterwegs waren. Und mir wird auch klar, dass irgendetwas nicht stimmt. Es wird zwar immer dunkler, aber ich kann noch genug erkennen, ich sehe die Dunstschwaden des Wasserfalls, ich sehe, wie sich das Licht in den Wellen spiegelt, und ich sehe die Felsen und das Geröll dort, wo wir die anderen zurückgelassen haben.
Aber sie sehe ich nicht.
Kapitel 27
Als ich zu rennen anfange, ist Kleiner Wolf schon weit vor mir, er springt in großen Sätzen, schlittert über den Kies, kippt Steine um, so als könnten Polly und der Hirsch unter ihnen versteckt sein.
* Da wirst du sie nicht finden .*
* Ich suche sie auch gar nicht! * , blafft er . *Ich suche den Käfer .*
* General!* , rufe ich. * General, bist du noch da?*
Alles bleibt still – nur der Wind in den Gräsern ist zu hören und das Geräusch des kleinen Wolfs, der so heftig am Boden schnüffelt, als wollte er ihn aufsaugen.
* Ich rieche etwas. Ein anderer Mensch. Ich kann der Fährte folgen .*
Ich schaue über das sumpfige Gelände auf das Schilf und das Gras. Da ist nicht die leiseste Spur von irgendetwas.
Kleiner Wolf ist wild entschlossen. * Folgen wir der Fährte und dem Geruch, solange er noch frisch ist* , drängt er.
Aber ich habe mich bereits auf einen Stein fallen lassen, schiebe mit dem Fuß die Blätter in einer Pfütze hin und her und versuche nachzudenken und einen Plan zu fassen. Während ich so die Blätter hin und her bewege, entdecke ich weiße Kieselsteine. Vielleicht sind es auch Knochenreste.
Quadratische Knochenstückchen.
Mein Herz schlägt bis zum Hals, als ich begreife, dass es keine Knochenstücke sind – sondern Buchstabenplättchen.
Ich knie mich hin und schaufle mit den Händen den Schlamm und den Schmutz beiseite. Es sind vier kleine Täfelchen, die jemand hastig unter den Blättern versteckt hat. Aber aus den Buchstaben werde ich nicht schlau.
F M A R
Sind es die Anfangsbuchstaben von Wörtern? FOLGE MIR – ABZWEIGUNG RECHTS . Aber wohin? FALLE – MIT ALLEM RECHNEN . Aber hier ist nichts Verdächtiges zu entdecken. FEUERSTOCK-MENSCH – ALARMSTUFE ROT . Feuerstock-Mensch würde der Hirsch schreiben, aber nicht Polly.
* Was hast du gefunden? Was hast du gefunden?*, will Kleiner Wolf aufgeregt wissen. Er platscht mit seinen struppigen Pfoten und der nassen Schnauze in die Pfütze und wirbelt dabei die Plättchen auf. Sie werden hochgeschleudert und landen wieder in der Pfütze.
* Du dummer Kerl! Sieh, was du angerichtet hast!*
Als ich den Schmutz von den Plättchen wische, sehe ich, dass die Buchstaben so, wie sie jetzt liegen, sehr wohl einen Sinn ergeben.
F A R M
Ich umschließe die vier Plättchen mit der Faust.
* Los, komm* , sage ich und stehe auf. Kleiner Wolf folgt der Witterung am Ufer des Flusses entlang, weg vom Sumpf, weg von den heilenden Blättern und dem Weißen Rauschen. Er schnüffelt an jedem abgeknickten Ast, geht jeder Spur auf jedem noch so kleinen Blatt nach, sucht jeden noch so winzigen Hinweis. Die Kieselsteine und der Sand werden allmählich weniger, sie machen einem Gewirr aus Schlingpflanzen und Gestrüpp Platz. Wir bahnen uns einen Weg durch das Dickicht, bis wir uns plötzlich am Rand einer Anhöhe wiederfinden, wo wir stehen bleiben und Luft holen.
Sehr tief Luft holen.
Denn die Landschaft unter uns sieht aus, als hätte sie jemand platt gewalzt, so flach ist sie. Vor uns liegt das größte Feld, das ich jemals gesehen habe. Die vielen Farben, das Grün, das Grau und das Gelb der Natur, die verschiedenen Blätter und Grashalme, die einst waren, all das ist hier zu einer einzigen, dunklen, feuchten Fläche geworden, die sich ins schier Endlose erstreckt, bis dorthin, wo sich Land und Himmel treffen.
Schlamm, so weit das Auge reicht.
Hier und da ragen klägliche Inseln hervor, bestehend aus welken blassbraunen Stängeln – das müssen die Überreste jener Früchte sein, die einst auf diesem gigantischen Acker herangewachsen sind und nun vor sich hin rotten.
Am Fuß der Anhöhe steht eine Maschine, der Motor läuft im Leerlauf und
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