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Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
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Kamerabewegungen im Film haben könnten. Im westlichen Kino gehen die meisten Kamerafahrten von links nach rechts, während ich im iranischen Kino, um nur dieses Beispiel zu nennen, häufig das Gegenteil beobachten konnte. Wäre es nicht denkbar, dass unsere Lesegewohnheiten auch unsere Art zu sehen beeinflussen? Unsere instinktiven Augenbewegungen?
     
    U. E.: Dann müsste man sich vergewissern, dass ein westlicher Bauer sein Feld bestellt, indem er zuerst von links nach rechts zieht, um dann von rechts nach links zurückzukehren, ein ägyptischer oder iranischer Bauer hingegen von rechts nach links anfängt, um dann von links nach rechts zurückzukehren. Denn die Spur, die er bei seiner Arbeit zieht, entspricht exakt dem Schreiben im Bustrophedon, das heißt in »furchenwendigen« Zeilen. Außer, dass man im einen Fall rechts anfängt und im anderen links. Das ist eine sehr wichtige Frage, die meines Erachtens noch nicht ausreichend untersucht wurde. Die Nazis hätten einen jüdischen Bauern sofort identifizieren können. Doch zurück zu unserem Thema. Wir haben vom Wandel und seiner Beschleunigung gesprochen. Aber wir haben auch gesagt, dass es technische Neuerungen gibt, die sich nicht verändern, das Buch nämlich. Wir könnten das Fahrrad hinzufügen und auch die Brille. Von der alphabetischen Schrift ganz zu schweigen. Hat man die Perfektion erst einmal erreicht, ist es unmöglich, sie zu übertreffen.
     
    J.-C. C.: Wenn Sie gestatten, komme ich noch einmal aufs Kino zurück und auf seine erstaunliche Treue zu sich selbst. Sie sagen, mit dem Internet kehren wir in die Ära des Alphabets zurück? Ich würde sagen, das Kino ist und bleibt ein Rechteck, projiziert auf eine senkrechte Ebene, und das schon seit über hundert Jahren. Es ist die perfektionierte Laterna magica. Die Filmsprache hat sich weiterentwickelt, aber die Form ist gleich geblieben. Die Kinosäle werden nach und nach für 3-D-Projektionen ausgerüstet und für die surround vision. Hoffen wir, dass das nicht nur Marktschreierei ist.
    Werden wir eines Tages, um nur von der Form zu sprechen,weiter gehen können? Ist das Kino jung oder alt? Ich habe keine Antwort auf diese Frage. Ich weiß, dass die Literatur alt ist. So sagt man mir jedenfalls. Vielleicht ist sie im Grunde gar nicht so alt … Vielleicht sollten wir vermeiden, die Rolle des Nostradamus zu übernehmen, sonst laufen wir Gefahr, unsere Prophezeiungen bald widerlegt zu sehen.
     
    U. E.: In punkto widerlegte Prophezeiungen hat mir das Leben eine große Lehre erteilt. Ich arbeitete damals – es war in den sechziger Jahren – in einem Verlag. Wir bekamen das Werk eines amerikanischen Soziologen angeboten, der eine sehr interessante Untersuchung über die jüngere Generation durchgeführt hatte und das Auftreten einer neuen Generation mit weißem Hemdkragen und Bürstenhaarschnitt verkündete, mit eher militärischem Habitus und völligem Desinteresse an Politik usw. Wir beschlossen, das Buch übersetzen zu lassen, aber die Übersetzung war schlecht, und ich verbrachte mehr als sechs Monate mit der Revision. Das waren aber genau die Monate von Anfang ’67 bis zu den Demonstrationen von Berkeley und dann vom Mai ’68, und die Analysen des Soziologen erschienen uns plötzlich total überholt. Da habe ich das Manuskript in den Papierkorb geworfen.
     
    J.-C. C.: Wir haben von dauerhaften Datenträgern gesprochen und uns über uns selbst lustig gemacht, über unsere Gesellschaft, die nicht weiß, wie sie ihr Gedächtnis auf Dauer archivieren soll. Aber ich glaube, wir könnten auch Propheten gebrauchen, deren Vorhersagen von Dauer sind. Dieser Futurologe in Davos, der, blind und taub für die nahende Finanzkrise, voraussagt, das Barrel Öl würde auf 500 Dollar steigen, warum sollte der recht haben? Woher kommt seinzweites Gesicht? Hat er ein Prophetendiplom? Der Preis für das Barrel Öl ist auf hundertfünfzig Dollar gestiegen, dann sahen wir ihn wieder unter fünfzig Dollar fallen, ohne jede vernünftige Erklärung. Vielleicht steigt er wieder oder er fällt, wir wissen es nicht. Die Zukunft ist kein Beruf.
    Das Charakteristikum von Propheten, echten wie falschen, ist, dass sie sich immer täuschen. Ich weiß nicht mehr, wer das gesagt hat: »Wenn die Zukunft Zukunft ist, ist sie stets unvorhersehbar.« Die Haupteigenschaft der Zukunft ist, ständig überraschend zu sein. Mich hat immer erstaunt, dass von den großen Science-Fiction-Autoren vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis zu den

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