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Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
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fünfziger Jahren kein einziger sich das Plastik vorgestellt hat, das dann doch beträchtlichen Raum in unserem Leben einnehmen sollte. Wenn wir uns in die Fiktion oder in die Zukunft projizieren, gehen wir immer aus von dem, was wir kennen. Aber die Zukunft geht nicht vom schon Bekannten aus. Dazu ließen sich tausend Beispiele anführen. Als ich in den sechziger Jahren mit Buñuel nach Mexiko fuhr, um an einem Drehbuch zu arbeiten, an einem sehr abgelegenen Ort, nahm ich eine kleine Reiseschreibmaschine mit schwarz-rotem Farbband mit. Wenn das Band unglücklicherweise gerissen wäre, hätte es in der nahegelegenen Stadt Zitacuaro überhaupt keine Möglichkeit gegeben, Ersatz zu finden. Heute stelle ich mir vor, wie bequem ein Computer für uns gewesen wäre. Aber den konnte man damals beim besten Willen nicht vorausahnen.
     
    J.-P. DE T.: Die Huldigung, die wir dem Buch hier darbringen, soll einfach zeigen, dass die modernen Technologien weit davon entfernt sind, es außer Kurs zu setzen. Im Übrigen sollten wir vielleicht in manchen Fällen den Fortschritt, den diese Technologien angeblich darstellen, relativieren. Ich denke da insbesondere an das Beispiel, das Sie, Jean-Claude, angeführt haben, mit einem Restif de la Bretonne, der im Morgengrauen druckt, was er in der Nacht beobachtet hat.
     
    J.-C. C.: Das ist ganz zweifellos eine Glanzleistung. Der große brasilianische Sammler José Mindlin hat mir eine Ausgabe von Victor Hugos Die Elenden gezeigt, 1862 auf Portugiesisch in Rio erschienen ist, das heißt im selben Jahr wie die Originalausgabe in Frankreich. Nur zwei Monate später als in Paris! Während Victor Hugo schrieb, schickte sein Verleger Hetzel das Buch kapitelweise an die ausländischen Verleger. Mit anderen Worten, die Verbreitung des Werkes war kaum langsamer als bei heutigen Bestsellern, die auch in mehreren Ländern nahezu gleichzeitig in verschiedenen Sprachen erscheinen. Manchmal ist es nützlich, unsere angeblich so großartigen technischen Leistungen zu relativieren. Bei Victor Hugo liefen die Dinge schneller als heute.
     
    U. E.: In ähnlicher Weise hat Alessandro Manzoni 1827 seine Promessi Sposi herausgebracht und sehr großen Erfolg damit gehabt, weil etwa dreißig Raubkopien auf der ganzen Welt im Umlauf waren, die dem Autor aber keine Lira einbrachten. Deshalb wollte er 1840 mit dem Mailänder Verleger Redaelli und dem Turiner Kupferstecher Gonin eine illustrierte Ausgabe herausbringen und die Publikation Heft für Heft überwachen. Ein Verleger in Neapel hat dann Woche für Woche eine Raubkopie davon angefertigt, und Manzoni hat bei diesem Unternehmen sein ganzes Geld eingebüßt. Das ist ein weiterer Beweis dafür, wie relativ unsere technologischen Großtaten sind. Aber es gäbe da noch ganz andere Beispiele. Im 16. Jahrhundert publizierte der Autor Robert Fludd drei oder vier Bücher pro Jahr. Er lebte in England,die Bücher erschienen in Amsterdam. Er bekam die Fahnen zugeschickt, korrigierte sie, überprüfte die Illustrationen und schickte das Ganze zurück – aber wie schaffte er das? Es handelt sich um illustrierte Bände von über 600 Seiten! Wir müssen annehmen, dass die Post damals besser funktionierte als heute. Galileo stand in Briefkontakt mit Kepler und sämtlichen Wissenschaftlern seiner Zeit. Von jeder neuen Entdeckung war er sofort unterrichtet.
    Vielleicht können wir aber diesen Vergleich, der scheinbar ganz zugunsten der früheren Zeiten ausfällt, doch etwas relativieren. In den sechziger Jahren habe ich (in meiner Eigenschaft als Lektor) das Buch Little Science, Big Science von Derek de Solla Price übersetzen lassen. Anhand von Statistiken weist der Autor darin nach, dass die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen im 17. Jahrhundert derart war, dass ein guter Wissenschaftler sich über sämtliche Neuerscheinungen auf dem Laufenden halten konnte, während es heute für den gleichen Wissenschaftler unmöglich ist, auch nur die abstracts der auf seinem Fachgebiet publizierten Veröffentlichungen zu überfliegen. Vielleicht verfügt er trotz aller Effizienz der Kommunikationsmittel nicht mehr über die Zeit, die ein Gelehrter wie Robert Fludd hatte, um so viele verlegerische Projekte erfolgreich zum Abschluss zu bringen …
     
    J.-C. C.: Nehmen Sie unsere USB-Sticks und andere Möglichkeiten, Information zu speichern und transportabel zu machen. Auch da haben wir nichts Neues erfunden. Ende des 18. Jahrhunderts führten Adelige, wenn sie auf Reisen

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