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Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
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ist Nievo mit dreißig Jahren in den Befreiungskriegen Garibaldis ums Leben gekommen, auf eher mysteriöse Weise. Der Roman ist nach seinem Tod erschienen, er konnte ihn nicht mehr überarbeiten. Ein literarisch und historisch bewegender Fall.
    Ich könnte noch Giovanni Verga nennen. Aber vor allem vielleicht jene literarische und künstlerische Bewegung derJahre 1860–1880, eine Bewegung von großer Modernität, die bei uns Scapigliatura heißt. Sie ist auch den Italienern selbst wenig bekannt, obwohl ihre Repräsentanten durchaus auf der Höhe dessen waren, was zur gleichen Zeit in Paris geschah. Scapigliati sind die »Zerzausten«, die échevelés , also Bohemiens.
     
    J.-C. C.: Wir in Frankreich hatten die Gruppe der Hirsutes , der »Struppigen«, gegründet von einigen Mitgliedern des Club des Hydropathes , die sich am Ende des 19. Jahrhunderts vor allem im Kabarett Chat Noir trafen. Aber ich möchte dem, was Sie über das 18. Jahrhundert gesagt haben, etwas hinzufügen. Zwischen Racines Phädra und der Romantik vergehen in Frankreich hundertzwanzig oder hundertdreißig Jahre, ohne dass ein einziges Gedicht geschrieben wird. Natürlich haben Reimschmiede Tausende von Versen fabriziert und veröffentlicht, vielleicht Millionen, aber kein Franzose ist imstande, ein einziges dieser Gedichte zu zitieren. Ich nenne hier Florian, der ein mittelmäßiger Fabeldichter ist, den Abbé Delille, Jean-Baptiste Rousseau, aber wer hat die gelesen, und vor allem, wer könnte sie heute noch lesen? Wer kann heute noch die Tragödien von Voltaire lesen? Zu ihrer Zeit dermaßen gefeiert, dass sie ihrem Autor bei Lebzeiten die Dichterkrönung im Saal der Comédie Française einbrachten, langweilen sie uns heute so, dass uns die Augen zufallen. Weil sich diese »Dichter« oder die sich dafür hielten damit begnügten, die im Jahrhundert zuvor von Boileau aufgestellten Regeln anzuwenden. Nie sind so viele Verse geschrieben worden, und nie so wenige Gedichte. Wenn man sich damit begnügt, die Regeln anzuwenden, schwindet jedes Moment von Überraschung, jeder Glanz, jede Inspiration. Das ist eine Lektion, die ich gelegentlichden jungen Filmemachern nahezubringen versuche. »Ihr könnt fortfahren Filme zu machen, das ist ziemlich einfach, und dabei vergessen, Kino zu machen.«
     
    U. E.: In diesem besonderen Fall hat die Filterung etwas Gutes. Bei diesen »Dichtern« ist es besser, dass man sich nicht mehr an sie erinnert.
     
    J.-C. C.: Ja, in diesem Fall war die Filterung gnadenlos und gerecht. Alle hinab in den Abgrund des Vergessens. Wie es scheint, waren Talent, Erneuerungswillen und Kühnheit damals eher auf Seiten der Philosophen zu finden oder bei Prosaautoren wie Laclos, Lesage oder Diderot und den zwei Theaterautoren Marivaux und Beaumarchais. Bevor unser großes Jahrhundert des Romans anbrach, das 19. Jahrhundert.
     
    U. E.: Während die große Zeit des englischen Romans bereits im 18. Jahrhundert begann, mit Samuel Richardson, Daniel Defoe … Die große Romankultur kommt unbestreitbar aus Frankreich, England und Russland.
     
    J.-C. C.: Es ist immer wieder verblüffend zu beobachten, wie künstlerische Inspiration plötzlich verschwindet. Wenn Sie die Geschichte der französischen Dichtung nehmen, sagen wir von François Villon bis zu den Surrealisten, so finden Sie Dichterschulen, die eine nach der anderen die Literatur beherrschten, die Pléiade, die Klassiker, die Romantiker, die Symbolisten, die Surrealisten und so weiter. Aber zwischen 1676, dem Datum des Erscheinens der Phädra , und einem Autor wie André Chénier werden Sie keine Spur von Poesie und keinen Funken von Erneuerung finden.
     
    U. E.: Das Schweigen der Poesie, das mit einer der ruhmreichsten Epochen Frankreichs zusammenfällt.
     
    J.-C. C.: Als das Französische in ganz Europa die Sprache der Diplomatie war. Und ich kann Ihnen versichern, ich habe gründlich gesucht, sogar in der volkstümlichen Literatur, überall. Weit und breit nichts zu finden!
     
    U. E.: Literarische Genres oder Strömungen in der Malerei entstehen durch Nachahmung und Beeinflussung. Nehmen wir ein Beispiel. Irgendein Schriftsteller schreibt als erster einen historischen Roman, der einen gewissen Erfolg hat: Sofort findet er Nachahmer. Wenn ich herausfinde, dass man mit dem Verfassen von Liebesromanen Geld verdienen kann, werde ich nicht darauf verzichten, das ebenfalls zu versuchen. Ähnlich wie sich in der lateinischen Literatur ein Kreis von Dichtern bildete, die die Liebe

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