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Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
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lassen.
     
    J.-C. C.: Derjenige italienische Autor, der in dieser Hinsicht überhaupt keiner Rehabilitation bedurfte, ist natürlich Machiavelli. Glauben Sie übrigens, dass es auf dem Gebiet der Naturwissenschaften die gleichen Ungerechtigkeiten im Hinblick auf große vergessene Figuren gibt?
     
    U. E.: Die Naturwissenschaft ist mörderisch, aber in einem anderen Sinn. Sie tötet eine Idee, sobald diese durch eine neue Entdeckung überholt ist. So glaubten zum Beispiel die Wissenschaftler, dass sich die Wellen im Äther ausbreiten. Seitdem nachgewiesen wurde, dass es den Äther nicht gibt, hat niemand mehr das Recht, davon zu reden. Die aufgegebene Hypothese ist nur noch Gegenstand der Wissenschaftsgeschichte. Unglücklicherweise hat die analytische Philosophie in den USA aus ihrem unerfüllten Wunsch, der Naturwissenschaft zu ähneln, denselben Standpunkt eingenommen. Vor einigen Jahrzehnten war im Departement für Philosophie der Universität Princeton zu lesen: »Zutritt für Philosophiehistoriker verboten«. Im Gegensatz dazu können die Geisteswissenschaften ihre Geschichte niemals vergessen. Ein analytischer Philosoph hat mich einmal gefragt, warum er sich damit aufhalten solle, was die Stoiker zu diesem oder jenem Thema gesagt haben. Entweder handle es sich um eine Dummheit, dann interessiere sie uns nicht. Oder es handle sich um eine tragfähige Idee, und dann sei es wenigwahrscheinlich, dass keiner von uns sie früher oder später formulierte.
    Ich habe ihm geantwortet, die Stoiker hätten vielleicht interessante Probleme aufgeworfen, die seitdem nicht mehr behandelt worden sind, aber es sei doch sehr sinnvoll, eingestellte Debatten wiederzuentdecken. Wenn sie damals richtig lagen, sei nicht einzusehen, weshalb wir abwarten sollten, bis ein amerikanisches Genie diese sehr alte Idee wiederentdeckt, während jeder europäische Dummkopf sie bereits kennt. Wenn aber die Entwicklung einer vor Zeiten aufgekommenen Idee in eine Sackgasse geführt habe, sei es doch besser, das von vorneherein zu wissen, um nicht nochmals einen Weg zu beschreiten, der nirgendwohin führt.
     
    J.-C. C.: Ich habe Ihnen unbekannte französische Dichter genannt. Erzählen Sie mir etwas von vergessenen italienischen Autoren, von zu Unrecht vergessenen.
     
    U. E.: Wir hatten eine Reihe kleinerer Barockdichter, obwohl der Bedeutendste von ihnen, Giovan Battista Marino, zu seiner Zeit in Frankreich berühmter war als in Italien. Ansonsten waren unsere großen Männer im 17. Jahrhundert Wissenschaftler und Philosophen wie Galilei, Bruno und Campanella, die zum universalen »Syllabus« gehören. Auch wenn unser 18. Jahrhundert sehr schwach war, verglichen mit dem, was zur gleichen Zeit in Frankreich geschah, kann man Goldoni nicht mit Schweigen übergehen. Weniger bekannt sind die italienischen Philosophen der Aufklärung, Cesare Beccaria zum Beispiel, der erste, der sich gegen die Todesstrafe aussprach. Aber der größte italienische Denker des 18. Jahrhunderts war zweifellos Vico, der die Geschichtsphilosophie des 19. Jahrhunderts vorwegnahm. In der angelsächsischenWelt wurde ihm größere Beachtung geschenkt als in Frankreich.
    Giacomo Leopardi ist zweifellos einer der größten Dichter des 19. Jahrhunderts, gleich welcher Sprache, doch er ist in Frankreich nach wie vor wenig bekannt, trotz guter Übersetzungen. Aber Leopardi war auch ein großer Denker, und als solcher ist er selbst in Italien nicht anerkannt. Das ist seltsam. Vor einigen Jahren ist sein immenser Zibaldone (völlig unsystematische Reflexionen über alles und einiges mehr) ins Französische übersetzt worden, hat aber nur eine kleine Minderheit von Philosophen und Italianisten erreicht. Dasselbe gilt für Alessandro Manzoni: Seine Promessi Sposi (Die Brautleute) sind mehrfach ins Französische übersetzt worden, haben jedoch nie ein breiteres Publikum erobern können. Schade, denn ich halte ihn wirklich für einen großen Romancier.
    Es gibt sogar Übersetzungen der Confessioni d’un italiano (Bekenntnisse eines Italieners) von Ippolito Nievo, aber warum sollten die Franzosen sie lesen, wenn selbst die Italiener sie kaum wiederlesen (außer sie haben einen guten Grund dafür)? Ich schäme mich, es zu gestehen, aber ich habe sie selbst erst vor kurzem ganz gelesen. Eine Entdeckung. Der Roman gilt als langweilig. Das stimmt überhaupt nicht. Er ist packend. Im zweiten Teil wird er vielleicht etwas schwerfällig, aber der erste Teil ist von großer Schönheit. Übrigens

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