Die großen Vier
vorhanden?»
«Sie haben es erraten, Monsieur Poirot, gerade so ist es.»
Poirot schaute sich mit finsteren Blicken um. «Ich bin noch völlig im Unklaren», murmelte er, «eben noch glaubte ich einen Lichtschimmer zu sehen, doch schon ist alles wieder in Dunkel gehüllt. Ich habe überhaupt keine Anhaltspunkte – und gar kein Motiv.»
«Der junge Paynter hat ein gutes Motiv», bemerkte Japp ernst. «Ich kann Ihnen verraten, dass er ein ziemlich leichtfertiges Leben geführt hat, dazu war er sehr extravagant. Im Übrigen wissen Sie selbst, dass man bei Künstlern nach Moral geradezu suchen muss.»
Poirot schenkte Japps Betrachtungen über die Eigenart von Künstlern wenig Beachtung, stattdessen lächelte er vielsagend.
«Mein guter Japp, ist es möglich, dass Sie mir Sand in die Augen streuen wollen? Ich weiß nur zu gut, dass es der Chinese ist, den Sie verdächtigen. Aber Sie beschreiten seltsame Wege. Sie wünschen, dass ich Ihnen helfen soll, und gleichzeitig versuchen Sie die Fährte zu verwischen.»
Japp brach in schallendes Gelächter aus.
«Das sind wieder einmal unverkennbar Sie selbst, Monsieur Poirot. Jawohl, ich tippe auf den Chinesen, ich gebe es zu. Es besteht kein Zweifel darüber, dass er es war, der den Curry anrichtete, und wenn er an jenem Abend versuchte, seinen Herrn zu beseitigen, so dürfte er es zum zweiten Male ebenfalls getan haben.»
«Ich möchte gern ergründen, ob er das beabsichtigte», sagte Poirot leise.
«Aber es ist das Motiv, das noch fehlt. Könnte man heidnische Rachgier oder dergleichen annehmen?»
«Und dann noch etwas», fuhr Poirot fort. «Bestehen irgendwelche Anzeichen von Raub? Ist nichts abhanden gekommen, wie Juwelen, Geld oder Wertpapiere?»
«Nein, das nicht gerade, aber –»
Ich spitzte die Ohren.
«Es ist zwar kein Raub festgestellt worden», erklärte Japp, «nur war Mr Paynter gerade im Begriff, ein Buch zu schreiben. Wir erhielten heute Morgen durch den Brief eines Verlegers davon Kenntnis, der darin ein Manuskript erwähnte. Es hat den Anschein, als wenn das Werk gerade fertig gestellt war. Der junge Paynter und ich haben gemeinsam den Raum von oben bis unten durchsucht, aber keine Spur davon entdeckt – er muss es irgendwo anders versteckt haben.»
Poirots Augen bekamen den grünen Schimmer, den ich so gut kannte.
«Wie war der Titel des Werkes?», fragte er.
«Die geheime Hand in China, soweit ich mich erinnern kann.»
«Aha», rief Poirot, tief Luft holend. Dann sagte er schnell: «Rufen Sie mir bitte den Chinesen Ah Ling!»
Der Chinese wurde gerufen und erschien mit der den Chinesen eigenen Gangart niedergeschlagenen Blickes und mit baumelndem Zopf. Sein unbewegliches Gesicht verriet keine Spur innerer Erregung.
«Ah Ling», sagte Poirot, «bist du traurig, dass dein Herr tot ist?»
«Ich sehr traurig, er guter master.»
«Weißt du, wer ihn getötet hat?»
«Ich nicht wissen, ich erzählen policeman, wenn ich wissen.»
Fragen und Antworten gingen hin und her. Mit demselben unbewegten Gesichtsausdruck schilderte Ah Ling, wie er den Curry zubereitet hatte. Der Koch hatte nichts damit zu schaffen gehabt, erklärte er, keine anderen Hände als die seinen hätten die Speise berührt. Ich wunderte mich, dass er nicht sah, wohin seine Erklärungen führten. Er blieb auch dabei, das Fenster zur Terrasse an jenem Abend verriegelt zu haben. Wenn es am Morgen geöffnet gewesen war, so musste sein Herr es selbst geöffnet haben. Schließlich wurde er von Poirot entlassen.
«Das war es, was wir von dir wissen wollten, Ah Ling!»
Gerade als der Chinese an der Tür war, rief Poirot ihn nochmals zurück.
«Und du weißt gar nichts, wie du sagtest, von dem gelben Jasmin?»
«Nein, ich nichts wissen.»
«Auch nicht von dem Zeichen, das sich unter den Worten auf der Zeitung befand?»
Poirot beugte sich vor, als er zu ihm sprach, und zeichnete schnell etwas in den Staub, mit dem der kleine Tisch bedeckt war. Ich war nahe genug, um zu erkennen, bevor er es wieder fortwischte. Es war ein Abstrich, ein Querstrich und dann ein weiterer Abstrich, der die Zahl Vier vervollständigte. Der Chinese zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen. Einen Augenblick blieben seine Züge von Schrecken verzerrt, dann setzte er die Maske wieder auf und beteuerte, ehe er sich zurückzog, nochmals seine Unwissenheit.
Japp entfernte sich, um den jungen Paynter zu suchen, während Poirot und ich allein zurückblieben.
«Die Großen Vier, Hastings», rief Poirot aus.
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