Die großen Vier
Fragen», rief er und winkte mit der Hand ab. «Nicht, bevor ich weiß, dass alles in Ordnung – und die Verhaftung erfolgt ist. Doch mit meiner Psychologie ist auch nicht viel los. Hastings, wenn ein Mann eine Nachricht vor seinem Tode schreibt, so geschieht es, weil sie ihm wichtig erscheint. Ein jeder denkt: gelber Jasmin? Der gelbe Jasmin wächst an der Hausmauer empor – doch das ist ja bedeutungslos. Nun, was bedeutet es in Wirklichkeit? Hör zu.»
Er öffnete ein Buch, welches er in Händen hielt.
«Mir kam der Gedanke, mein Freund, einmal nähere Einzelheiten über den Jasmin einzuholen. Was, genau gesagt, ist gelber Jasmin? Dieses kleine Buch hat mir den notwendigen Aufschluss gegeben: ‹ Gelsemini Radix, gelber Jasmin, Zusammensetzung: Alkaloide Gelseminine C 22 H 26 N 2 O 3 , ein wirksames Gift, gleich dem Koniin. Ge l semine C 14 H 16 NO 2 wirkt wie Strychnin, Jasminsäure, usw. Gelsemium ist eine stark wirkende Droge, die sich auf das Zentralnervensystem legt. Im letzten Stadium seiner Wirkung legt es die Nervenenden lahm, und in großer Dosierung verursacht es Schwindel und Verlust der Muskelkräfte. Der Tod tritt durch Zersetzung der Lunge ein.› Siehst du, Hastings, gleich im Anfang hatte ich schon eine Ahnung von dem wahren Sachverhalt, als Japp eine Bemerkung fallen ließ bezüglich der Unwahrscheinlichkeit, einen lebenden Menschen mit dem Kopf im Gaskamin festzuhalten. Ich kam deshalb zu der Überzeugung, dass es sich bereits um einen Toten gehandelt hat, dessen Gesicht alsdann bis zur Unkenntlichkeit verbrannte.»
«Aber wie kamst du darauf?»
«Mein Freund, wenn du einen Mann erschießen oder erstechen würdest, nachdem er bereits tot ist, oder aber ihm eine Kopfwunde beibrächtest, würde es sich auf jeden Fall herausstellen, dass ihm die Verletzung nach Eintritt des Todes beigebracht wurde. Jedoch bei einem Kopf, der zu Asche verkohlt ist, würde es niemand einfallen, nach der vermeintlichen Todesursache zu forschen. Andererseits ein Mann, der offensichtlich bereits einer Vergiftung durch das Abendessen entgangen ist, kann nicht gut später demselben Anschlag zum Opfer fallen. Nun, wer hat da gelogen, das bleibt hier die Frage. Ich neige dazu, Ah Ling Glauben zu schenken.»
«Nicht möglich», warf ich ein.
«Du bist überrascht, Hastings? Ah Ling war über die Existenz der Großen Vier unterrichtet, das war offenkundig – ebenso klar ist, dass er von ihrer Verbindung mit diesem Verbrechen absolut gar nichts ahnte, bis zu jenem Überraschungsmoment. Wenn er der Mörder gewesen wäre, wäre er wohl in der Lage gewesen, angesichts meiner Malerei auf der Tischplatte seinen unbeweglichen Gesichtsausdruck beizubehalten. So kam ich zu dem Schluss, Ah Ling Glauben zu schenken, und richtete meinen Verdacht auf Gerald Paynter. Es schien mir, Nummer vier konnte mühelos einen Ersatz für den verschollenen Neffen finden.»
«Meinst du etwa, er selbst sei Nummer vier?», fragte ich erschrocken.
«Nein, Hastings, natürlich nicht. Gleich nachdem ich die Beschreibung über den gelben Jasmin gelesen hatte, erkannte ich die Wahrheit. Sie war tatsächlich augenfällig.»
«Wie immer», bemerkte ich kühl, «für mich jedoch keinesfalls.»
«Weil du eben nicht deine kleinen grauen Gehirnzellen arbeiten lässt. Wer hatte Gelegenheit, an den Curry heranzukommen?»
«Nur Ah Ling und kein anderer.»
«Kein anderer? Und der Arzt?»
«Aber das war doch zu einem späteren Zeitpunkt.»
«Natürlich war das später. Es befand sich keine Spur von Opiumpulver in dem Curry, als er Mr Paynter serviert wurde, jedoch auf den Verdacht hin, den Dr. Quentin gesät hat, isst Mr Paynter nichts davon und erklärt sich bereit, ihm den Curry zur Untersuchung zu überlassen, was ganz in Dr. Quentins Pläne passt.
Er nimmt den Curry entgegen und gibt Mr Paynter eine Strychnininjektion – wie er sagt –, doch in Wirklichkeit eine solche von gelbem Jasmin – und zwar eine tödliche Dosis. Als das Gift zu wirken anfängt, entfernt er sich, nachdem er das Fenster entriegelt hat. Sodann, in der Nacht, steigt er durch das Fenster herein, findet das Manuskript und stößt Mr Paynter mit dem Kopf in das Feuer. Er beachtet aber nicht die Zeitung, die zu Boden gefallen war und durch den Körper des Toten verdeckt wurde. Paynter hatte das Gift erkannt, welches ihm injiziert wurde, und bemühte sich, die Großen Vier als seine Mörder zu entlarven. Es ist für Dr. Quentin sehr einfach gewesen, Opiumpulver in den Curry zu
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