Die großen Vier
Aufzeichnungen enthaltenen Bemerkungen und konnte feststellen, dass er von meinem Gegenhieb sehr wenig erbaut war.
«Zweifellos, Hastings, täuscht man sich in einzelnen Feststellungen – mehr oder weniger, doch man wird schon noch dahinter kommen. Inzwischen haben wir auch wieder dazugelernt und – bereit sein bedeutet alles.»
Dies war in letzter Zeit ständig sein Schlagwort, und er wandte es so häufig an, dass ich dessen überdrüssig wurde.
«Wir sammeln immer neue Erfahrungen, Hastings», fuhr Poirot fort, «und durchschauen ihre Pläne, was uns sehr zugute kommt, aber wir wissen noch lange nicht genug. Wir müssen noch viel mehr herausfinden.»
«Wie willst du das anstellen?»
Poirot lehnte sich in seinen Sessel zurück, legte eine Schachtel Zündhölzer, die ich achtlos auf den Tisch geworfen hatte, ordentlich hin und setzte sich in Positur. Ich erkannte, dass er im Begriff stand, sich in längere Betrachtungen einzulassen. «Sieh einmal, Hastings, wir haben gegen vier Widersacher zu kämpfen, das bedeutet, gegen vier verschiedene Charaktere. Mit Nummer eins sind wir noch nie in persönlichen Kontakt gekommen, wir kennen ihn nur hinsichtlich seiner Bestrebungen – und nach allem, was bisher geschehen ist, Hastings, will ich dir verraten, dass ich beginne, seine Pläne zu erkennen –, er verfügt über den großen Scharfsinn, der den Orientalen eigen ist – jeder Anschlag, dem wir uns gegenübersahen, entstammt dem Gehirn Li Chang Yens. Nummer zwei und Nummer drei sind hochgestellte Persönlichkeiten und so mächtig, dass sie im Augenblick gegen unsere Angriffe immun sind. Nichtsdestoweniger, was sie schützt, schützt uns ebenfalls in umgekehrtem Sinne. Sie stehen so sehr im Blickpunkt des öffentlichen Lebens, dass sie gezwungen sind, mit äußerster Vorsicht zu operieren. Und so kommen wir zum letzten Glied der Bande – nämlich zu dem Mann, der uns als Nummer vier bekannt ist.»
Poirots Stimme veränderte sich schlagartig, wie es stets der Fall war, wenn er von diesem Manne sprach.
«Nummer zwei und Nummer drei sind dank ihrer Berühmtheit und ihrer gesicherten Position in der Lage, Erfolge zu erzielen und ihren Weg unangefochten fortzusetzen. Nummer vier dagegen verzeichnet seine Fortschritte unter einem anderen Vorzeichen – er geht dunkle Wege. Wer sich hinter der Maske verbirgt, weiß niemand. Wie er in Wirklichkeit aussieht, ist auch nicht bekannt. Wie oft haben wir ihn gemeinsam gesehen, bereits fünfmal, wenn ich nicht irre. Und keiner von uns kann mit Bestimmtheit behaupten, dass er ihn wiedererkennen würde, oder bist du anderer Meinung?»
Ich musste verneinen, wenn ich meine Gedanken zu jenen fünf ganz verschiedenen Personen zurückschweifen ließ, die – so unglaublich es auch erscheinen mochte – von ein und demselben Mann verkörpert wurden. Der stämmige Aufseher der Heilanstalt, der Mann in dem hochgeschlossenen Mantel in Paris, der Diener James, der Mediziner im Fall Paynter und zuletzt der russische Professor. Bei keinem Anlass hatte einer dieser Leute mit dem anderen die geringste Ähnlichkeit.
«Nein», sagte ich ziemlich entmutigt, «auch nicht die kleinsten Anhaltspunkte sind uns gegeben.»
Poirot lächelte.
«Nun bitte ich dich, betrachte die Angelegenheit nicht gar zu aussichtslos, denn einige Feststellungen haben wir doch gemacht.»
«Und welcher Art sind diese?»
«Es ist uns bekannt, dass es sich um einen Mann mittlerer Statur handelt und dass er dunkelblondes oder blondes Haar hat. Wenn er von großer Statur und dunkler Hautfarbe wäre, hätte er sich nie für den blonden, ernsten Arzt ausgeben können. Es dürfte kaum schwierig sein, drei Zentimeter größer zu erscheinen, wie im Falle des Dieners James oder des Professors. Ferner muss er eine kurze gerade Nase haben. Veränderungen sind durch ein entsprechendes Make-up leicht zu bewerkstelligen, aber eine große Nase lässt sich nicht so leicht zu einer kleineren umgestalten. Dazu muss er ziemlich jung sein, kaum über fünfunddreißig. Du siehst also, wir kommen der Sache schon etwas näher. Es handelt sich also um einen Mann zwischen dreißig und fünfunddreißig Jahren, mittlerer Statur und Haarfarbe, einen Experten in der Kunst, sich zu schminken, und mit wenigen oder gar keinen eigenen Zähnen.»
«Wie kommst du zu dieser Annahme?»
«Ganz einfach, Hastings; bei dem Aufseher waren die Zähne abgebrochen und missfarbig, in Paris waren sie ebenmäßig und weiß, beim Doktor standen sie etwas nach
Weitere Kostenlose Bücher