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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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Verbandskasten und anderer Ausrüstungfür Unfälle und Notsituationen genommen hatte, und mit einer Tasse heißem Milchkaffee aus Guidos Thermoskanne vor sich.
    – Nimm viel Zucker, sagte Guido, das soll man, wenn man einen Schock gehabt hat.
    – So schlimm ist es wohl nicht, protestierte Jérôme, aber eher der Form halber, er spürte, wie der Schwindel ihn beinah überwältigte, sobald er daran dachte, wie es sich angefühlt hatte, diese kalte, starre, leblose Hand anzufassen.
    Denn jemand hatte ja in den Waggon hinaufklettern müssen, damit sie ganz sicher sein konnten, daß das, was unter dem Erz begraben lag, nicht eine lebendige Person war, die noch gerettet werden konnte, und weil Jérôme am jüngsten und beweglichsten war, war es selbstverständlich, daß er es tun würde, er mußte sich hinunterschwingen und vorsichtig über die feuchten Haufen aus schimmerndem, feinkörnigem Erz steigen, auf das Unheimliche zu, das dort lag.
    Er mußte sich zusammenreißen, um die Hand zu berühren. Es war eine linke Hand mit einer Swatchuhr um das Handgelenk, ein trendgerechtes, neues Modell, das sich Jérôme vielleicht selbst hätte kaufen wollen. Er umfaßte vorsichtig das Handgelenk und legte den weichen Teil des Daumens an die Stelle, wo man den Puls hätte fühlen sollen, falls es noch ein Herz gegeben hätte, das in dem Körper da unten unter dem Erz schlug. Er sah auf seine eigene Uhr und wartete drei ewigkeitslange Minuten, obwohl er wußte, daß es unnötig war. Die Hand war eiskalt, steif, als wäre sie tiefgefroren gewesen, und ganz offenkundig sehr, sehr tot.
    – Du mußt jetzt die Polizei anrufen, sagte Guido, während Jérôme in der Tasse umrührte, damit der dritte Teelöffel Zucker sich auflöste.
    – Das kannst du doch machen, sagte Jérôme, du bist ja der Ältere.
    – Nein, sagte Guido bestimmt, du hast die Leiche gefunden, du rufst an.
    Jérôme schielte zu dem altmodischen Bakelittelefon, das in einer Ecke des Schuppens stand.
    – Kriegt man überhaupt eine Leitung mit dem da, sagte er, das geht jetzt wohl nur zum Wachmann beim Westtor?
    – Dann ruf den Wachmann an und erzähl ihm, was passiert ist, der kann dann die Polizei anrufen.
    Das klang doch weniger beängstigend, dann mußte ein anderer die Verantwortung übernehmen. Jérôme hob den Hörer ab und wählte 11, die Nummer, unter der man abends, wenn die Telefonistinnen von der Zentrale nach Hause gegangen waren, den Nachtwächter erreichte. Der Nachtwächter klang beruhigend und väterlich, als er versprach, sofort dafür zu sorgen, daß Polizei und Staatsanwaltschaft benachrichtigt wurden.
    – Das war das, sagte Guido, und jetzt rufst du den Vorarbeiter an und erzählst, was passiert ist, und daß wir die Löschung abgebrochen haben, es dauert bestimmt lange, bis wir damit weitermachen können.
    Jérôme sah den älteren Mann bittend an.
    – Kannst du nicht zumindest das machen? Heute abend hat Polese Dienst, du kennst ihn doch, wenn ich versuche, es zu erklären, wird er es nur so hindrehen, daß es meine Schuld ist.
    Guido murrte ein wenig, nahm aber das Telefon und wählte die Nummer des Werkmeisterbüros, wo er offenbar den Schichtvormann Tony Polese erreichte, und erklärte konzis die Lage.
    – Jetzt fehlt nur noch eines, sagte Guido, als er aufgelegt hatte. Jetzt mußt du nur noch Becker anrufen.
    – Becker, sagte Jérôme nervös, warum soll ich den da reinziehen? Ich habe ja nichts falsch gemacht.
    Er begann, trotz der Decke zu frieren, und seine Zähne klapperten, aber gleichzeitig waren seine Handflächen feucht von Schweiß. Er dachte sehnsuchtsvoll an die Gang, die sich jetzt langsam in der Bar versammelte, um dann gegen Mitternacht zum Le Garage weiterzuziehen. Er hatte im Gefühl, daß er heute abend die Füße nicht auf die Tanzfläche setzen würde, und tat sich selbst leid. Aber dann dachte er an den Toten da draußen und schämte sich. Er war sicher, daß es die Hand eines jungen Mannes war, die er gehalten hatte, glatt und muskulös, ein Junge in seinem eigenen Alter, der nie mehr tanzen oder ein Bier in sich hineinschütten oder mit einem Mädchen schlafen würde.
    – Ich kapiere nicht, was mit euch jungen Leuten los ist, sagte Guido irritiert, es ist wohl selbstverständlich, daß du Becker bittest hierherzukommen. Ist man in eine Teufelei geraten, soll man dafür sorgen, die Gewerkschaft an seiner Seite zu haben, und was Teuflerisches als das hier kann man sich schwer vorstellen. Die Oberklasse hat ihre

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