Die Günstlinge der Unterwelt - 5
mußte Richard zugeben.
»Das habe ich mir gedacht. Aber wie machen diese widerlichen Schlangenmenschen sich unsichtbar?« Sie warf das Cape mit einem Schulterzukken ab und schüttelte sich vor Ekel. »Und wie kommt Ihr darauf, daß ich das könnte?«
»Sie heißen Mriswiths. Und es sind die Capes, die ihnen das ermöglichen. Daher dachte ich, Ihr könntet es vielleicht auch.« Sie sah ihn zweifelnd an. »Hier, ich will es Euch beweisen.«
Richard nahm ihren Platz vor der Tür ein und zog die Kapuze seines Mriswithcapes hoch. Dann schlug er das Cape übereinander, schloß es, und konzentrierte sich ganz auf die Aufgabe. Einen Atemzug später nahm das Cape genau die Farbe dessen an, was sich hinter ihm befand. Richard wußte, daß die Magie des Capes, offenbar unterstützt durch seine eigene, irgendwie auch die bloßliegenden Teile seines Körpers verhüllte, so daß er völlig verschwand.
Als er sich vor der Tür bewegte, veränderte sich das Cape stets so, daß es genau mit dem übereinstimmte, was sie hinter ihm sah, und als er vor die weißen Steine trat, schienen die farblosen Steinblöcke und die dunkleren Fugen über ihn hinwegzugleiten und ahmten den Hintergrund so täuschend nach, als blickte sie durch ihn hindurch. Aus Erfahrung wußte Richard, daß es selbst dann keinen Unterschied machte, wenn der Hintergrund sehr vielfältig war. Das Cape war in der Lage, sich allem anzupassen, was sich hinter ihm befand.
Als Richard sich entfernte, starrte Fräulein Sanderholt noch immer auf die Tür, wo sie ihn zuletzt gesehen hatte, Gratch dagegen ließ ihn keinen Moment aus den Augen. Die grünen Augen des Gar bekamen etwas zunehmend Bedrohliches, während er Richards Bewegungen folgte. Sein Knurren wurde lauter.
Richard ließ es dabei bewenden. Die Hintergrundfarben lösten sich vom Cape, und es wurde, als er die Kapuze zurückschlug, wieder schwarz. »Ich bin’s noch immer, Gratch.«
Fräulein Sanderholt erschrak, fuhr herum und entdeckte ihn an seinem neuen Standort. Gratchs Knurren verlor sich, ging erst in Verwirrung, dann in ein Grinsen über. Als er das neue Spiel durchschaute, fing er leise gurgelnd an zu lachen.
»Richard«, stammelte Fräulein Sanderholt, »wie habt Ihr das gemacht? Wie habt Ihr Euch unsichtbar gemacht?«
»Es ist das Cape. Er macht mich nicht wirklich unsichtbar, aber irgendwie kann es seine Farbe ändern, sich dem Hintergrund anpassen und so das Auge täuschen. Vermutlich braucht man Magie, damit das Cape funktioniert, und Ihr besitzt keine. Ich dagegen wurde mit der Gabe geboren, deshalb funktioniert es bei mir.« Richard sah sich nach den toten Mriswiths um. »Ich denke, es ist am besten, wenn wir die Capes verbrennen, damit sie nicht in falsche Hände fallen.«
Richard sagte Gratch, er solle die Capes von oben auf der Treppe holen, während er sich bückte, um die unten liegenden einzusammeln.
»Richard, meint Ihr, es könnte … gefährlich sein, die Capes dieser unheilvollen Geschöpfe zu benutzen?«
»Gefährlich?« Richard richtete sich auf und kratzte sich im Nacken. »Ich wüßte nicht, wieso. Es wechselt doch nur die Farbe, sonst nichts. Wißt Ihr, so wie manche Frösche oder Salamander die Farbe wechseln können, um sich dem anzupassen, worauf sie hocken, wie zum Beispiel einem Felsen, einem Baumstamm oder einem Blatt.«
Sie half ihm, so gut ihre verletzten Hände es zuließen. »Ich habe diese Frösche gesehen. Ich hielt es immer für eines der Wunder unseres Schöpfers, daß sie das konnten.« Sie sah lächelnd zu ihm hoch. »Vielleicht hat der Schöpfer Euch mit demselben Wunder gesegnet, weil Ihr die Gabe besitzt. Er sei gelobt, Sein Segen hat geholfen, uns zu retten.«
Als Gratch ihr die übrigen Capes reichte, eines nach dem anderen, damit sie sie auf das Bündel packen konnte, legte sich ein Gefühl der Besorgnis auf Richards Brust. Er hob den Kopf und sah den Gar an.
»Gratch, du spürst doch keine weiteren Mriswiths mehr, oder?«
Der Gar reichte Fräulein Sanderholt das letzte Cape, dann ließ er den Blick aufmerksam in die Ferne schweifen. Schließlich schüttelte er den Kopf. Richard atmete erleichtert auf.
»Hast du eine Idee, wo sie hergekommen sein könnten, Gratch? Irgendeine bestimmte Richtung?«
Wieder drehte sich Gratch langsam um und betrachtete sorgsam prüfend die Umgebung. Einen totenstillen Augenblick lang richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die Burg der Zauberer, wanderte dann aber weiter. Schließlich zuckte er die Achseln und
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