Die Günstlinge der Unterwelt - 5
und gähnte. Immer noch keine Nachricht. Sie setzte sich wieder und stützte das Kinn in die Hand. Langsam fielen ihr beim Warten die Augen zu.
Endlich zeichnete sich eine Nachricht ab.
Nathan und ich sind es durchgegangen, und Nathan meint, es handele sich um eine unreife Prophezeiung, und deshalb könne er sie nicht vollständig enträtseln.
Ann, die falsche Prälatin, das bin ich. Es macht mir große Sorgen, daß es in dieser Prophezeiung heißt, ich würde über den Untergang des Palastes herrschen.
Sofort kam die Antwort. Du bist nicht die falsche Prälatin aus dieser Prophezeiung.
Was bedeutet es dann?
Diesmal war die Pause kürzer. Die volle Bedeutung kennen wir nicht, aber wir wissen, daß du nicht die falsche Prälatin bist, die darin genannt wird.
Verna, höre genau zu. Warren muß den Palast verlassen. Es ist zu gefährlich für ihn, länger dortzubleiben. Er muß sich verstecken. Man könnte ihn sehen, wenn er in der Nacht aufbricht. Schicke ihn morgen früh unter dem Vorwand einer Besorgung in die Stadt. Im Gewirr der Menschen wird man ihn nicht verfolgen können. Gib ihm Gold mit, damit er keine Schwierigkeiten hat, das zu tun, was er tun muß.
Verna legte sich die Hand aufs Herz und schluckte. Sie beugte sich wieder über das Buch. Aber Prälatin, Warren ist der einzige, dem ich vertrauen kann. Ich brauche ihn. Ich kenne die Prophezeiungen nicht so wie er und wäre ohne ihn aufgeschmissen. Sie verschwieg, daß er ihr einziger Freund war, der einzige Freund, dem sie vertrauen konnte.
Verna, die Prophezeiungen sind in Gefahr. Wenn diesen Leuten ein Prophet in die Hände fällt … Die hastig hingekritzelte Nachricht hörte plötzlich auf. Kurz darauf ging sie weiter, in einer sorgfältigeren Schrift. Er muß fliehen. Verstehst du das?
Ja, Prälatin. Ich werde mich gleich morgen früh als erstes darum kümmern. Warren wird tun, was ich sage. Ich werde auf Eure Anweisungen vertrauen. Es ist wichtiger, daß er den Palast verläßt, als daß er mir hilft.
Danke, Verna.
Ann, welche Gefahr besteht für die Prophezeiungen?
Sie wartete einen Augenblick in der Stille des Heiligtums, dann setzte die Schrift schließlich wieder ein.
So wie wir unsere Bemühungen dadurch zu unterstützen versuchen, daß wir die Gefahren entlang verschiedener Gabelungen der Prophezeiungen kennen, so können auch jene, die die Menschheit unterjochen wollen, dieses Wissen dazu benutzen, die Ereignisse entlang bestimmter Gabelungen herbeizuführen, deren Eintreten sie sich wünschen. Auf diese Weise angewendet, können sich die Prophezeiungen gegen uns wenden. Wenn diese Leute über einen Propheten verfügen, könnten sie zu einem besseren Verständnis der Prophezeiungen sowie der Möglichkeiten gelangen, wie sie die Geschehnisse zu ihrem Vorteil lenken können.
Das Beeinflussen der Gabelungen kann ein Chaos heraufbeschwören, mit dem sie nicht einmal selbst rechnen und das sie nicht kontrollieren können. Das ist extrem gefährlich. Sie könnten uns alle unwiederbringlich über eine Klippe springen lassen.
Ann, soll das heißen, Jagang versucht, den Palast der Propheten an sich zu reißen? Und auch die Prophezeiungen in den Gewölbekellern?
Zögern. Ja.
Verna zögerte ebenfalls. Als ihr klar wurde, welcher Art der bevorstehende Kampf sein würde, bekam sie eine eiskalte Gänsehaut.
Wie können wir ihn aufhalten?
Der Palast der Propheten wird nicht so leicht fallen, wie Jagang glaubt. Er ist zwar der Traumwandler, aber wir haben die Kontrolle über unser Han. Diese Kraft ist auch eine Waffe. Auch wenn wir unsere Gabe immer dazu benutzt haben, das Leben zu bewahren und dabei zu helfen, das Licht des Schöpfers in diese Welt zu bringen, so mag dennoch eine Zeit kommen, in der wir unsere Gabe benutzen müssen, um zu kämpfen. Zu diesem Zweck müssen wir wissen, wer loyal zu uns steht. Du mußt herausfinden, wer nicht mit dem Makel behaftet ist.
Verna dachte sorgfältig nach, bevor sie zu schreiben begann. Ann, wollt Ihr uns etwa auffordern, Krieger zu werden, unsere Gabe dazu zu benutzen, die Kinder des Schöpfers niederzustrecken?
Ich sage dir, Verna, du wirst all deine Fähigkeiten einsetzen müssen, um zu verhindern, daß diese Welt für immer in die Finsternis der Tyrannei gerissen wird. Wir kämpfen zwar darum, den Kindern des Schöpfers zu helfen, aber wir tragen auch einen Dacra, oder nicht? Wenn wir tot sind, können wir den Menschen nicht helfen.
Verna strich sich über die Schenkel, als sie merkte, daß sie
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