Die Günstlinge der Unterwelt - 5
werdet nicht alleine gehen.«
»Berdine –«
»Ich bin Eure Beschützerin. Ihr werdet nicht alleine gehen. Verstanden?«
Sie hatte diesen durchdringenden, unerbittlichen Blick in den Augen, der ihn fürchten ließ, er könnte etwas Falsches sagen. Schließlich gab er sich seufzend geschlagen.
»Also schön. Aber Ihr bleibt in der Nähe und tut, was ich sage.« Sie hob herausfordernd den Kopf. »Ich tue immer, was Ihr sagt.«
37. Kapitel
Während das Pferd sich wiegend unter ihm bewegte, betrachtete Tobias Brogan in aller Ruhe die fünf Boten des Schöpfers, die nicht weit voraus und ein Stück seitlich gingen. Es war ungewöhnlich, daß man sie sah. Seit ihrem unerwarteten Auftauchen vier Tage zuvor waren sie stets in der Nähe, aber nur selten zu erkennen, und selbst wenn sie sichtbar waren, konnte man sie schwer entdecken, denn sie waren vollkommen weiß wie der Schnee oder im Dunkeln vollkommen schwarz wie die Nacht. Verwundert fragte er sich, wie sie es schafften, einfach vor seinen Augen zu verschwinden. Die Macht des Schöpfers war in der Tat erstaunlich.
Die Boten jedoch hinterließen bei Tobias ein bedrückendes Gefühl. In seinen Träumen hatte der Schöpfer Tobias aufgetragen, seine Pläne nicht in Frage zu stellen, und dankenswerterweise endlich Tobias demütige Bitten um Vergebung für die Unverschämtheit einer Nachfrage erhört. Alle rechtschaffenen Kinder des Schöpfers fürchteten ihn, und rechtschaffen war Tobias Brogan allemal. Trotzdem, diese schuppigen Geschöpfe schienen kaum die angemessene Wahl für göttliche Unterweisung.
Plötzlich richtete er sich im Sattel auf. Natürlich. Es war sicher nicht die Absicht des Schöpfers, den Nicht-Eingeweihten seine Absicht zu enthüllen, indem er ihnen Jünger zeigte, die auch wie welche aussahen. Böse Menschen erwarteten, von der Schönheit und der Pracht des Schöpfers verfolgt zu werden, der Anblick von Jüngern in einer solchen Gestalt dagegen würde sie gewiß nicht so in Angst und Schrecken versetzen, daß sie sich verkrochen.
Tobias seufzte erleichtert, während er beobachtete, wie die Mriswiths die Köpfe zusammensteckten und sich untereinander und mit der Magierin tuschelnd besprachen. Sie selbst bezeichnete sich als Schwester des Lichts, trotzdem war sie immer noch eine Magierin, eine streganicha , eine Hexe. Daß der Schöpfer die Mriswiths als Boten einsetzte, konnte er verstehen, allerdings entzog sich ihm, wieso Er einer streganicha solche Machtbefugnis gab.
Tobias hätte gerne gewußt, was sie die ganze Zeit zu bereden hatten. Seit die streganicha sich ihnen tags zuvor angeschlossen hatte, war sie fast ausschließlich bei diesen fünf Schuppenwesen gewesen und hatte für den Lord General des Lebensborns aus dem Schoß der Kirche nur herzlich wenig Worte übrig gehabt. Die sechs blieben unter sich, so als reisten sie nur zufällig in die gleiche Richtung wie Tobias Brogan und sein Begleittrupp von eintausend Mann.
Tobias hatte gesehen, wie gerade mal eine Handvoll Mriswiths Hunderte d’Haranischer Soldaten ins Jenseits befördert hatte, daher war ihm ein wenig unwohl dabei, daß er nur zwei Abteilungen seiner Soldaten bei sich hatte. Der Rest seiner Streitmacht von über einhunderttausend Mann wartete wenig mehr als eine Woche vor Aydindril. In jener ersten Nacht bei der Armee, als Er ihm erschienen war, hatte der Schöpfer Tobias erklärt, sie sollten zurückbleiben, um bei der Eroberung Aydindrils mitzuwirken.
»Lunetta«, meinte er mit leiser Stimme, während er verfolgte, wie die Schwester sich gestenreich mit den Mriswiths unterhielt.
Sie lenkte ihr Pferd näher an seine rechte Seite. Sie verstand seinen Wink und senkte ebenfalls die Stimme. »Ja, mein Lord General?«
»Lunetta, hast du gesehen, wie die Schwester ihre Kraft angewendet hat?«
»Ja, Lord General. Als sie den Windbruch aus dem Weg räumte.«
»Daran konntest du erkennen, welche Kräfte sie besitzt?« Lunetta nickte ihm kaum merklich zu. »Besitzt sie ebensoviel Kraft wie du, meine Schwester?«
»Nein, Tobias.«
Er lächelte sie an. »Gut zu wissen.« Er blickte nach hinten, um sich zu vergewissern, daß niemand in der Nähe und die Mriswiths noch sichtbar waren. »Einige der Dinge, die mir der Schöpfer in den letzten paar Nächten eingegeben hat, versetzen mich mehr und mehr in Verwirrung.«
»Möchtet Ihr Lunetta davon erzählen?«
»Ja, aber nicht jetzt. Wir reden später darüber.«
Sie strich gedankenverloren über ihre ›hübschen Sachen‹.
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