Die Günstlinge der Unterwelt - 5
wünscht mit Euch zu sprechen.«
Von den anderen Gästen blieb niemand im Saal. Brogan hatte bis zuletzt gewartet, um festzustellen, ob jemand um eine Privataudienz bei Lord Rahl ersuchen würde. Die meisten waren in großer Eile aufgebrochen, ein paar jedoch waren noch geblieben, wie Brogan vermutet hatte. Ihre höflichen Anfragen wurden von den Wachen abgewiesen. Auch die Balkone hatte man geräumt.
Brogan und Galtero, mit Lunetta in ihrer Mitte, überquerten die weite Marmorfläche zum Podium, begleitet vom Hall ihrer Schritte und dem metallischen Klirren der Rüstungen der Wachen hinter ihnen. Der Schein der Lampen tauchte den riesigen, prunkvollen Saal aus Stein in ein warmes Licht. Lord Rahl lehnte sich in dem Sessel neben dem der Mutter Konfessor zurück und beobachtete, wie sie näher kamen.
Die meisten der d’Haranischen Soldaten waren zusammen mit den Gästen entlassen worden. General Reibisch stand mit grimmig entschlossener Miene neben dem Podium. Die beiden riesenhaften Wachen an den Enden und die drei Mord-Siths neben Lord Rahl sahen ebenfalls zu – im Stillen angespannt wie eingerollte Vipern. Der Gar ragte hoch hinter den Sesseln auf und verfolgte mit leuchtend grünen Augen, wie sie vor dem Tisch stehenblieben.
»Ihr könnt gehen«, sagte General Reibisch zu den Soldaten, die noch anwesend waren. Sie schlugen sich die Faust vors Herz und zogen ab. Lord Rahl wartete, bis sämtliche Doppeltüren geschlossen worden waren, sah Galtero und Brogan an, dann ließ er seinen Blick auf Lunetta zur Ruhe kommen.
»Willkommen. Ich bin Richard. Wie heißt du?«
»Lunetta, Lord Rahl.« Kichernd machte sie einen unbeholfenen Knicks.
Lord Rahls Blick ging weiter zu Galtero, und Galtero trat von einem Bein aufs andere. »Ich möchte mich entschuldigen, Lord Rahl, daß ich Euch heute fast niedergeritten hätte.«
»Entschuldigung angenommen.« Lord Rahl lächelte in sich hinein. »Seht Ihr, wie einfach das war?«
Galtero schwieg. Endlich richtete Lord Rahl den Blick auf Brogan, und sein Gesichtsausdruck wurde ernst.
»Lord General Brogan, ich möchte wissen, warum Ihr mit Gewalt Menschen entführt habt.«
Tobias breitete die Hände aus. »Menschen mit Gewalt entführt? Lord Rahl, dergleichen haben wir niemals getan, wir kämen nicht einmal auf die Idee.«
»Ich glaube, daß Ihr ein Mann seid, der sich keine Ausflüchte bieten läßt, General Brogan. Das haben wir beide gemeinsam.«
Tobias räusperte sich. »Lord Rahl, da muß ein Mißverständnis vorliegen. Als wir in Aydindril eintrafen, um unsere Hilfe anzubieten, fanden wir die Stadt im Chaos vor und die Verwaltungsangelegenheiten in einem Zustand der Verwirrung. Wir haben ein paar Leute zu uns in den Palast eingeladen, die uns dabei unterstützen sollten, die zu erwartenden Gefahren festzustellen, weiter nichts.«
Lord Rahl beugte sich vor. »So ziemlich das einzige, was Euch interessiert hat, war die Hinrichtung der Mutter Konfessor. Welchen Grund habt Ihr dafür?«
Tobias zuckte die Achseln. »Lord Rahl, Ihr müßt verstehen, mein ganzes Leben lang war die Mutter Konfessor die Machtperson in den Midlands. Hierherzukommen und festzustellen, daß sie womöglich hingerichtet wurde, hat mich zutiefst beunruhigt.«
»Annähernd die halbe Stadt war Zeuge ihrer Hinrichtung und hätte Euch das sagen können. Warum haltet Ihr es für erforderlich, Menschen auf offener Straße aufzugreifen, um sie darüber auszufragen?«
»Nun, die Menschen haben manchmal verschiedene Versionen eines Ereignisses, wenn man sie getrennt befragt – sie erinnern sich unterschiedlich an Geschehnisse.«
»Eine Hinrichtung ist eine Hinrichtung. Welche unterschiedlichen Erinnerungen soll man daran haben?«
»Nun, wie könnte man, von der anderen Seite eines Platzes aus, erkennen, wer zum Block geführt wird? Nur ein paar Leute recht weit vorne können ihr Gesicht gesehen haben, und viele von denen würden ihr Gesicht nicht erkennen, selbst wenn sie es vor sich sähen.« Lord Rahls Augen verloren nichts von ihrer Bedrohlichkeit, daher fuhr er schnell fort. »Seht Ihr, Lord Rahl, ich hatte gehofft, daß Ganze sei vielleicht eine Täuschung gewesen.«
»Eine Täuschung? Die versammelten Menschen waren Zeugen, wie die Mutter Konfessor hingerichtet wurde«, stellte Lord Rahl sachlich fest. »Manchmal sehen die Leute das, was sie zu sehen glauben. Meine Hoffnung war, daß sie nicht wirklich gesehen hatten, wie die Mutter Konfessor hingerichtet wurde, sondern vielleicht nur ein
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